Dichtung und Wahrheit – Anmerkungen zu Käthe Dorschs Herkunft, Eltern und Geschwistern

Ihren Familiennamen soll sie nicht besonders geliebt haben. Sie wolle nicht mit dem gleichnamigen Fisch in Verbindung gebracht werden. Diese nette Anekdote wird sich wohl nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen. Dichtung und Wahrheit - bereits Goethe nahm die Mischung von Fiktion und Realität als Titel seiner bekannten Autobiographie. Bisweilen halten Darstellungen biographischer Details bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einer Überprüfung auf der Grundlage verlässlicher historischer Quellen nicht stand. Diese allgemeine Erkenntnis soll am Beispiel der Schauspielerin Käthe Dorsch näher betrachtet werden, wobei hier der Fokus auf ihrer Herkunft und dem familiären Umfeld liegen soll. Ob die Widersprüchlichkeiten durch eigene Legendenbildung der Probandin entstanden oder auf Grund ungenauer Recherchen der Biograf*innen, wird sich höchstwahrscheinlich nicht mehr klären lassen.

 

Käthe Dorschs Herkunft

Zunächst soll in chronologischer Reihe ein Blick auf verschiedene Aussagen zu Käthe Dorschs Herkunft geworfen werden. 1929 brachte Lutz Weltmann beim Horen-Verlag in Berlin eine erste Künstlerbiographie mit dem Titel „Käthe Dorsch Ein Frauen- und Rampenprofil“ heraus. In diesem liebevoll mit eingeklebten Fotos und Zeichnungen bebilderten 180seitigen Werk werden viele Details zu Dorschs Herkunft und Kindheit festgehalten. Genealogisch führt Weltmann den Schauspieler Christoph Dorsch (1676 in Nürnberg - 1732 in Nürnberg) und dessen Frau, wohl eher seine berühmte Tochter Susanna Maria Dorsch (1701 in Nürnberg -1765 in Nürnberg)  an, deren Portraits die Seiten 11 und 15 zieren. Weltmann beschreibt auch eine Autofahrt von Berlin nach Nürnberg, bei welcher Käthe Dorsch kurz in Sulzbach halten lässt, aber nicht aussteigt. Ort dieses kurzen Zwischenhalts ist das Diakonissinnenhaus in Sulzbach, in dem Käthe Dorsch angeblich gewesen war. Interessanterweise führt der Autor weiter aus: „Noch weit führt die Landstraße durch die katholischen Gegenden ihrer Heimat. (…), überkommt sie jene religiöse Stimmung, die das evangelische Mädchen einst dazu trieb, bei den Diakonissinnen geistliche Andacht zu finden.“ (Lutz Weltmann, S. 18).

Käthe Dorschs angebliches Geburtshaus in Nürnberg St. Peter (Weltmann, Seite 25)

Im Kapitel "St.=Peter=Kind" beschreibt Weltmann Käthe Dorschs Elternhaus: "Auf einem Pfeifenkopf, (…) ist das Geburtshaus von Käthe Dorsch abgebildet. Das Haus stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde im 18. umgebaut. Seit dem 13. Jahrhundert sind die Dorschs in St. Peter bei Nürnberg ansässig, (…) im 18. Jahrhundert gab es einen Schauspieler des Namens und schon vorher, im 14., verband ein Meister Dorsch die Schauspielerei mit dem Schmiedegewerbe." (Lutz Weltmann, S. 23 - 25)

Die niederländische Schriftstellerin Jo van Ammers-Küller (1884 – 1966) brachte 1933 die Publikation "Twaalf interessante vrouwen" heraus, das 1937 in Bremen beim Carl Schünemann Verlag unter dem Titel „Bedeutende Frauen der Gegenwart. Zehn Frauenbildnisse“ erschien. Als letzte der zehn porträtierten Frauen befasst sich die Autorin mit Käthe Dorsch. Zu ihrer Herkunft schreibt sie: „Ihre Jugend verlebte sie im alten Nürnberg, wo die Familie Dorsch seit vielen Generationen als braves, solides Bürgergeschlecht ohne die geringsten künstlerischen Neigungen ansässig war; nur ein einziges Mal, im 15. Jahrhundert, war ein Dorsch Hufschmied und zugleich Schauspieler gewesen … Das alte Haus, in dem die kleine Käthe ihre Jugend verbracht hat, lag in der Nähe eines weiten Platzes, wo jedes Jahr das Sedanfest gefeiert wurde; (…)“ (Jo van Ammers-Küller, S. 309)

Herberg Ihering schrieb 1944 in seinem im Zinnen-Verlag erschienenen Künstlerporträt: „Käthe Dorsch wurde in St. Peter bei Nürnberg geboren, wo die Familie seit dem 13. Jahrhundert ansässig war.“ (Herbert Ihering, S. 12)

Ausgerechnet im ihrem Todesjahr 1957 erschien Ludwigs Bergers Publikation über Käthe Dorsch, die sich fast ausschließlich ihrer künstlerischen Laufbahn widmet. Biographisch wird ihre Herkunft lediglich angedeutet, als er sie über ihre Suche nach dem Theater in Mainz berichten lässt und sie dabei eines der Gebäude an Nürnberg erinnert: „(…) denn aus der Nürnberger Gegend kam sie ja (…)“. (Ludwig Berger, S. 8)

Noch Anfang des 21. Jahrhunderts konnte man in einem inzwischen aus dem Netz genommenen älteren österreichischen Online-Lexikon erfahren, dass Käthe Dorsch in Neumarkt in Schlesien geboren worden sei. In einer älteren Version des Österreich-Lexikons findet sich zwar nicht die namensgleiche Stadt in Schlesien, dafür aber als Geburtsort St. Peter bei Nürnberg. Im aktuellen Austria-Forum fand Käthe Dorsch keine Aufnahme mehr.

In der NDB ist ihr Geburtsdatum um zwei Jahre nach hinten gerückt, was sie zwar zwei Jahre jünger macht, aber falsch ist. Wolfgang Drews hat hier wohl einen Fehler seiner eigenen Publikation aus dem Jahr 1953 übernommen. In dem Wikipedia-Artikel „Käthe Dorsch“ wird ihre Geburt korrekt wiedergegeben, da der Bearbeiter sich ein Reprofoto der Originalquelle im Stadtarchiv Neumarkt hat schicken lassen.

Die Geburt Käthe Dorschs in Neumarkt i.d.OPf. am 29. Dezember 1890 ist eindeutig durch den Eintrag im Geburtsregister des Standesamts dokumentiert. Hier wird auch das Geburtshaus mit Neumarkt, Untere Marktstraße 26 genannt.

Rechts neben dem Durchgang zur Kettengasse stand das Geburtshaus Käthe Dorschs, hier ein Foto aus den 1930er Jahren mit der Aufschrift Lohnkutscherei Jakob Brandl (Stadtarchiv Neumarkt, Bildarchiv, Sammlung Heinrich-Negative 2/791)

Die Dorschs in Neumarkt

Beginnen wir also mit dem Geburtsort von Käthe Dorsch. Bereits im Jahr 1882 begegnet uns hier die Familie Dorsch im Ratsprotokoll der Stadt Neumarkt ganz unspektakulär unter dem Betreff „Gemeindeumlage des Lebküchners Christoph Dorsch“ am 10. August. Die Einforderung ausstehender Zahlungen war damals alltäglich. Immerhin wissen wir dadurch, dass die Familie schon acht Jahre vor Käthes Geburt in Neumarkt wohnte.

Was machte ein Lebküchner in der oberpfälzischen Kleinstadt? Traditionell würde man dieses Gewerbe eher in Nürnberg verorten, wo Christoph Dorsch auch seine Heimat hatte. Auch in Neumarkt reicht die Lebkuchenherstellung weit zurück. Bereits 1556 und 1654 werden Lebzelter genannt, für 1803 sind zwei solche Handwerker belegt. Mitte des 19. Jahrhunderts suchte Nürnbergs Adventszeitgebäck verstärkt in der benachbarten Stadt einen Absatzmarkt. Im Jahr 1845 bewarb sich der Nürnberger Lebküchner Friedrich Luger um die Errichtung einer "Lebkuchen-Niederlage" bei dem Neumarkter Handelsmann Karl Faigl. Doch der Neumarkter Magistrat lehnte das Gesuch am 31. Juli ab. Zur Begründung hieß es, die drei Neumarkter Lebküchner fänden für ihre eigenen Waren kaum Abnehmer, die geplante Warenniederlage brächte ihnen den völligen Ruin. Aber hatte Luger sich vielleicht nur ungeschickt verhalten? Wenige Jahre später: Ein "Commissionslager" für Lebkuchen und "Chocolade" des Nürnberger Lebküchners Heinrich Häberlein bei dem Konditor Joseph Steinbach in Neumarkt erhielt am 27. Januar 1853 vom Magistrat die Bewilligung. Häberlein hatte ein Zeugnis des Nürnberger Magistrats vom 12. Januar vorgelegt, das sowohl seine Ansässigkeit als Lebküchner in der Stadt Nürnberg als auch den "schwunghaften Betrieb von dessen Geschäft" glaubhaft nachwies. Es klang etwas resigniert, wenn der Magistrat seine Zustimmung damit begründete, dass der Konditor Steinbach die Befähigung habe, das Geschäft zu "befördern", und die gesetzlichen Verordnungen eine freie Warenniederlage ermöglichten, wogegen man einfach nichts machen könne.

Doch neben dem Verkauf Nürnberger und Neumarkter Lebkuchen setzte 1878 in Neumarkt auch die fabrikmäßige Produktion von Lebkuchen ein. Der in Nürnberg gebürtige spätere Kommerzienrat Hermann Spitta (1844 in Nürnberg - 1932 in Neumarkt) kaufte die von Johann Wilhelm Spaeth erbaute Kunstmühle und betrieb dort bis 1920 auch eine von Carl Zinn begründete Lebkuchenfabrik weiter. Besonders um die Jahrhundertwende erlebte dieses Gewerbe in der oberpfälzischen Kleinstadt eine Blütezeit. Sogar nach Übersee wurden in der Blütezeit der Fabrik Neumarkter Lebkuchen exportiert, eine Niederlassung war in New York. Die Anzahl der in Neumarkt lebenden Lebküchner zeigt anschaulich das Auf und Ab der Lebkuchenfabrik. Die wirtschaftliche Krise nach dem Ersten Weltkrieg bereitete der Fabrik jedoch das Ende und führte zum Verkauf an die Vereinigte Papierlackwaren-Fabrik in Nürnberg im Juni 1920.

Zahl der in Neumarkt ansässigen Lebküchner 1875 bis 1920

 

Nürnberg, die Heimat von Käthe Dorschs Eltern

Christoph Dorsch zog in der Anfangsphase der Neumarkter Lebkuchenfabrikation in diese Stadt. Die Familie Dorsch lässt sich erstmals 1882 in Neumarkt i.d.OPf. nachweisen. Woher stammte aber der Vater Käthe Dorschs? Der Lebküchner stammte tatsächlich aus der Lebkuchenhochburg Nürnberg, genauer gesagt, aus dem bereits bei einzelnen Biographen genannten St. Peter im Südosten der Stadt. Immerhin 21 Handwerker und Künstler mit dem Familiennamen Dorsch vom 15. bis 20. Jahrhundert werden beispielsweise in dem umfassenden vierbändigen Nürnberger Künstlerlexikon genannt. Eine Darstellung dieser weitverzweigten Nürnberger Familie wäre einen eigenen Artikel wert.

Käthes Vater Christoph Jakob Dorsch wurde am 10. März 1860 in Nürnberg Sankt Peter Nr. 77 als erstes Kind aus zweiter Ehe des Steinhauers Ludwig Dorsch und seiner Ehefrau Barbara Sabina Dorsch geborenen Kaiser und geschiedenen Forster geboren. Bei der Taufe in der nahe zum Geburtshaus gelegenen Pfarrkirche Sankt Peter am 18. März 1860 übernahm Christoph Jakob Dorsch, Steinmetzen-Geschäftsführer in Galgenhof die Patenschaft. Die Geburt und Taufe der Mutter war in Otterberg in der Rheinpfalz am 12. August bzw. 1. September 1861. Ihre Eltern waren der Maschinenführer Wolfgang Lindl und dessen Ehefrau Catharina Lindl geborene Bauer. Eine Heirat der Tochter mit Käthes Vater konnte jedoch bislang weder in Nürnberg/St. Peter noch in Neumarkt oder in Otterberg gefunden werden.

Käthes Großvater Ludwig Dorsch hatte die geschiedene Babette Sabina Forster geborene Kaiser am 27. November 1859 in Sankt Peter geheiratet. Er starb am 19. April 1873 an einem Lungenleiden im Alter von 41 Jahren und 10 Monaten und wurde zwei Tage später auf dem Friedhof von St. Peter beerdigt. Da war sein ältester Sohn gerade 13 Jahre alt geworden, und auch dessen Tochter sollte ihren Vater im gleichen Alter verlieren, aber davon später mehr.

Das Anwesen Regensburger Straße 53 war also nicht Käthe Dorschs Geburtsthaus, aber sie verbrachte dort ihre Kindheit und Jugend. An Hand der Nürnberger Adressbücher kann die Besitz- und Familiengeschichte grob rekonstruiert werden.

Andreas Kaiser, der Schwiegervater von Käthe Dorschs Großvater, lässt sich 1850 bis 1852 als Gastwirt in St. Peter 77 nachweisen. Auf diesem Anwesen erscheint 1863 der Schwiegersohn Ludwig Dorsch als Wirtschaftsbesitzer. Die Gastwirtsehefrau Sabina Babette Dorsch wird 1870 als Besitzerin der Anwesen Regensburger Straße 51, 53 und 55 auf Pl.-Nr. 155, 159 und 160, die bisher die Hausnummer 77 trugen, gelistet. Von 1876 bis 1884 wird sie als Wirtswitwe Babette (Sabina) Dorsch aufgeführt. Ab 1885 folgen die Privatiere Magdalena Dorsch und die Privatierskinder Kunigunda, Walburga, Walburga Magdalena und Johann Thomas Dorsch. So bleibt es bis 1891.

 

Umzug nach Nürnberg und neue Informationen zur Neumarkter Zeit

Die Neumarkter Episode der Familie Dorsch begann spätestens 1882. 1890 wurde Käthe geboren. Wann verließ sie die Stadt wieder? Zu ihrem weiteren Lebensweg heißt es in Käthe Dorschs Wikipedia-Artikel: „1893 zog die Familie Dorsch von Neumarkt nach Nürnberg. 1901 starb der Vater.“ Beide Datierungen müssen korrigiert werden. Zwar fielen die Meldeunterlagen des Stadtarchivs Neumarkt der Kriegszerstörung im April 1945 zum Opfer, es blieben aber zum Beispiel die Wählerverzeichnisse der Jahre 1887 und später erhalten. Darin findet sich Christoph Dorsch mit einer eindeutigen Randnotiz: am 20. August 1891 verzogen. Neben dem genauen Datum der Ummeldung nach Nürnberg verrät uns der knappe Eintrag aber noch zwei weitere wichtige Informationen. Das 1887 angelegte Verzeichnis führt als Beruf "Conditorgeselle" und als Wohnanschrift Oberer Markt 5 an. Dies würde bedeuten, dass das Geburtshaus nicht der erste Wohnsitz der Familie Dorsch in Neumarkt war, und dass der Vater zunächst als Geselle bei einem der Neumarkter Konditoren gelernt hat. Zwischen 1887 und 1890 wurde er dann Lebküchner und arbeitete möglicherweise in der Neumarkter Lebkuchenfabrik Carl Zinn.

Als Lebküchner Christoph Dorsch wird Käthes Vater erstmals 1892 im Nürnberger Adressbuch aufgeführt unter der Anschrift Regensburger Straße 53. So bleibt es bis 1898. 1902 wird Christoph Dorsch als Spezereihändler mit neuer Adresse, Hartmannstraße 8, genannt.

 

Schicksal der Eltern

Auch Herbert Ihering schreibt wie viele andere Biographen vom Tod ihres Vaters, „(…), den sie schon in ihrem elften Jahre verliert, (…)". (Herbert Ihering, S. 12) Das würde bedeuten, dass ihr Vater zwischen dem 29. Dezember 1900 und 29. Dezember 1901 als ihrem elften Lebensjahr verloren haben müsste. Jo van Ammers-Küller schrieb ebenso: „Mit elf Jahren hat Käthe Dorsch ihren Vater verloren.“ (Jo van Ammers-Küller, S. 313)

Das oft genannte bzw. errechnete Todesjahr ihres Vaters erweist sich bei genauer Prüfung als falsch. Der Beerdigungseintrag von Christoph Jakob Dorsch wirft indes hinsichtlich Beruf und Wohnanschrift einige Fragen auf. Er starb am 17. Oktober 1903 als Straßenbahnkondukteur in Nürnberg Hartmannstraße 4 im Alter von 43 Jahren und sieben Monaten. Sollte sich die Berufsbezeichnung Konditor aus einer Falschlesung des Kondukteurs ergeben haben? Konnte der Vater in Nürnberg nicht als Lebküchner weiter arbeiten wie noch in Neumarkt? Seine Witwe nannte sich Spezereihändlerswitwe. Warum wohnte er nicht mehr im „Familienstammsitz“ an der Regensburger Straße, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite einige Häuser davon entfernt?

Die Biographen schreiben, dass der Vater mehr Verständnis für Käthes künstlerische Ambitionen hatte. Eine schwere Zeit begann für den Teenager, der heimlich Schauspielunterricht nahm und in Nürnberg seine ersten Schritte auf den "Brettern, die die Welt bedeuten", machte. „15jährig spielte sie als Statistin im Nürnberger Stadttheater bei der Inszenierung der „Meistersinger“ mit und sang auch in einem Extrachor. (Herbert Ihering, S. 13) Später erhielt sie Rollen in Hanau und Mainz. Mit 21 Jahren volljährig geworden, zog Käthe Dorsch 1911 nach Berlin. Dort spielte sie zunächst am Neuen Operettentheater. Von den Tochter-Vater bzw. Sohn-Mutter-Beziehungen schreibt Lutz Weltmann wie auch vom Verlust ihres Vaters in ihrem elften Lebensjahr. Nur bei Jo van Ammers-Küller wird Käthes Beziehung zu ihrer Mutter greifbarer. Sie schreibt: „Zwischen ihr und der vor einigen Jahren verstorbenen Mutter bestand eine jener merkwürdigen menschlichen Beziehungen, denen in letzter Tiefe starke Liebe zugrunde liegt, die aber häufiger in Streit und Mißhelligkeiten als in Zärtlichkeit sich ausdrücken.“ (Jo van Ammers-Küller, S. 313)

Käthe Dorschs verwitwete Mutter blieb nicht in Nürnberg-St. Peter. Magdalena Dorsch zog mehrfach um. 1912 wohnte die Spezereihändlerwitwe im Anwesen Gabelsbergerstraße 20 im dritten Stock, 1913 im ersten Stock des Anwesens Schoppershof, Freytagstraße 9 und 1916 im dritten Stock des Anwesens Äußere Sulzbacher Straße 41.

Käthe Dorsch in Sundermanns "Rosen" (Weltmann, Seite 29)

Bei Jo van Ammers-Küller findet sich zum Tod der Mutter folgende Stelle: „Erst in den letzten paar Jahren, als die alte Frau an einer unheilbaren Krankheit langsam dahinsiechte, kamen Mutter und Tochter einander näher.“ (Jo van Ammers-Küller, S. 314) Magdalena Dorsch geborene Lindl, starb am 22. November 1930 in Nürnberg. Ihre Tochter hatte ein kleines Häuschen in Meckerndorf bei Bad Saarow-Pieskow durch Vermittlung ihres geschiedenen Mannes Harry Liedtke am 21. Januar 1929 erworben. (Kiesewetter, S. 132) Ihre Mutter wurde auf dem Friedhof von Pieskow bei Berlin beerdigt, in dem gleichen Grab, in dem später auch Käthe Dorsch ihre letzte Ruhe fand. Am Sockel des schlichten Grabkreuzes steht der Name von Käthe Dorschs Mutter.

 

Geschwister

Von ihrem Bruder, dessen Vorname aber nicht genannt wird, ist bei Lutz Weltmann die Rede. (Weltmann, S. 24) Bereits 1892 kommt der jüngere Bruder von Käthe Dorsch zur Welt. Als zweites Kind des protestantischen Lebküchners Christoph Jakob Dorsch und seiner ebenfalls protestantischen Mutter Magdalena Dorsch geborenen Lindl, wurde er in dem Anwesen Regensburger Straße in Nürnberg am 26. November geboren. Bei der Taufe in der Pfarrkirche Sankt Peter am 25. Dezember übernahm der protestantische Kaufmann Johann Thomas Dorsch, Bruder des Kindsvaters, die Patenschaft.

Wie war das Verhältnis zu dem angeblich von der Mutter bevorzugten Bruder? Die Biographen schweigen sich weitgehend aus. Ein vielleicht aufschlussreicher Hinweis dazu findet sich in einer angesichts der Fragestellung eher ungewöhnlichen Quelle. Johann Thomas Dorsch, lediger Kaufmann in Nürnberg, diente im Ersten Weltkrieg hauptsächlich beim 6., 14. und 21. Bayerischen-Infanterie-Regiment und MG-Einheiten der Bayerischen Armee, zuletzt als Leutnant der Reserve.  Auf 15 Seiten finden sich in den Bayerischen Kriegsstammrollen bei Ancestry Informationen, die detailliert seinen militärischen Werdegang beschreiben. Beachtenswert sind wohl zwei Urlaube. Der eine vom 21. Dezember 1917 bis 2. Januar 1918 führte ihn nach Berlin-Schöneberg, wo er vielleicht mit seiner Schwester ihren 27. Geburtstag feierte, und der zweite vom 5. bis 18. August 1918 ebenfalls nach Berlin. Es ist anzunehmen, dass er beide Male dort seine Schwester besuchte. Laut Kriegsstammrollen wohnte er während der Kriegszeit stets im III. Stock des Anwesens Sulzbacher Straße 41 in Nürnberg, wo auch die Mutter Magdalena Dorsch damals lebte. Vielleicht traf er bei einem seiner Besuche in Berlin auch bereits den Filmkollegen seiner Schwester, Harry Liedtke an, den sie 1920 heiraten sollte, aber das ist nach all den quellenmäßig fassbaren Fakten nur eine ungesicherte Vermutung.

Manche Legenden erwiesen sich als mehr oder weniger weit entfernt von der Wahrheit, neue Fragen haben sich aufgetan, doch der Blick auf Käthe Dorschs Herkunft, ihre Eltern und Geschwister konnte mit einigen verlässlichen Fakten bereichert werden. Heute erinnert in Neumarkt neben einer nach ihr benannten Straße eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an die große Schauspielerin.

Gedenktafel an Käthe Dorschs Geburtshaus (Stadtarchiv Neumarkt, Bilddokumentation, Foto: Birgit Gehrmann)

 

Quellen:

Ancestry: Kriegsstammrollen des Johann Thomas Dorsch.

Archion: Pfarrarchiv Nürnberg-Sankt Peter Taufen 1860 Seite 93 Nummer 27, Taufen 1892 Seite 387 Nummer 768, Trauungen 1859 Seite 76 Nummer 45, Beerdigungen 1873, Seite 174 Nummer 107, 1903 Seite 85 Nummer 529; Pfarrarchiv Otterberg Band Taufen 1851 bis 1867, Nr. 71/1861.

Stadtarchiv Neumarkt, Standesamtsregister, Geburten Nr. 229/1890. Ratsprotokoll B 1.63 Nr. 214 (1845), B 1.68 Nr. 154 (1853), B 1.94 Nr. 306 (1882), B 11.1 Wählerliste der Stadtgemeinde Neumarkt 1887 - 1892, 1887 Nr. 126).

Stadtarchiv Nürnberg C 27/II Nr. 1089 (Tod Magdalena Dorsch 1930).

Grafik der Lebküchner: Geburts- (1876 bis 1908) , Eheschließungs- (1876 bis 1920) und Sterberegister (1876 - 1920) des Standesamts Neumarkt, Magistratsprotokolle 1876 bis 1918, Neumarkter Tagblatt und Adressbücher 1893, 1900, 1911 und 1927).

Neues Adreßbuch der Stadt Nürnberg. 1850, Seite 165, 1852, Seite 160; Adreßbuch der Stadt Nürnberg. 1863. Marien=Vorstadt und St. Peter. XXX. Distrikt. Zur Lorenzer Seite, Seite 150 und Dritte Abtheilung, Seite 45; Adreßbuch für die Stadt Nürnberg 1870. Lorenzer Burgfrieden, Seite 180; Adreßbuch von Nürnberg für das Jahr 1884, Seite 49; Adreßbuch von Nürnberg für das Jahr 1885, Seite 48, 215; Adreßbuch von Nürnberg 1891, Seite 55 Seite 173; Adreßbuch von Nürnberg 1892, Seite 63; Adreßbuch von Nürnberg 1898, Seite 83; Adreßbuch von Nürnberg 1902, Seite 65; Adreßbuch von Nürnberg 1912, Seite 72; Adreßbuch von Nürnberg 1913, Seite 75; Adreßbuch von Nürnberg 1916, Seite 83.

Literatur:

Jo van Ammers-Küller, Bedeutende Frauen der Gegenwart. Zehn Frauenbildnisse, Bremen 1937.

Ludwig Berger, Käthe Dorsch, Berlin 1957.

Manfred H. Grieb, Nürnberger Künstlerlexikon.Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Band 1, München 2007, Seite 281 ff.

Herbert Ihering, Käthe Dorsch, München 1944.

Reinhard Kiesewetter, Traumgehäuse Bad Saarow. 60 Häuser mit bewegter Geschichte in Bad Saarow-Pieskow am "Märkischen Meer", Bad Saarow 2002.

Karl Ried, Neumarkt in der Oberpfalz, Neumarkt 1960, Seite 488, 491, 513 und 555.

Lutz Weltmann, Käthe Dorsch Ein Frauen- und Rampenprofil, Berlin 1929.

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