Inoffizielles Wahrzeichen der Industrieausstellung in Nürnberg von 1906

Gastbeitrag von Anna Levandovska

 

Dem Motto von König Ludwig I. folgend »In Nürnberg Industrie, in München Kunst!« wurde Nürnberg durch Förderungen des Staates und des Engagements privater Unternehmer das Zentrum für Gewerbe und Industrie in Süddeutschland.

Aus Anlass der 100-jährigen Zugehörigkeit Nürnbergs zum Königreich Bayern und auf Vorschlag des ersten Bürgermeisters von Nürnberg, Dr. Georg von Schuh, sollte die nächste große Industrieausstellung im Jahr 1906 stattfinden. Die Vorbereitungen zur dritten Bayerischen Landes-Industrie-Gewerbe-und Kunst-Ausstellung begannen bereits 1902 unter der Leitung des Oberbaurates Theodor von Kramer, dem damaligen Direktor des Bayerischen Gewerbemuseums. Wie bereits bei der Pariser Weltausstellung 1889 verschob sich der Schwerpunkt bei derlei Veranstaltungen vom belehrenden, informativen Charakter zunehmend zum Mega-Event, das die Firmen als Instrument ihrer Imagepolitik nutzten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der 30 Meter hohe Riesenbleistift der Schwan-Bleistift-Fabrik.

 

Offizieller Lageplan der Bayer. Jubiläums-Landes-, Industrie-, Gewerbe- u. Kunst-Ausstellung Nürnberg, 1906

Offizieller Lageplan der Bayer. Jubiläums-Landes-, Industrie-, Gewerbe- u. Kunst-Ausstellung Nürnberg, 1906 (Ausschnitt, bearbeitet) Quelle: Unternehmensarchiv der Firmengruppe Schwan-STABILO, Signatur: 2/2/3/6 (Lizenz: CC BY-NC-ND)

 

Der 30 Meter hohe Riesenbleistift der Schwan-Bleistift-Fabrik

Für den Entwurf des Schwan-Bleistift-Fabrik Pavillons war Ludwig Ullmann (1872-1943) verantwortlich, der Bauamtsassessor von 1898 bis 1901 in Nürnberg war. In der Ausstellungszeitung, die von 1905 bis Ende Oktober 1906 herausgegeben wurde, ist im Mai 1905 der Pavillon noch nicht im Situationsplan bedacht worden. Erst am 3. Juli 1905 meldete die Firma den Sonderbau an. Danach erfolgte im September die Platzzuweisung durch das Zeichenbüro und schon im Dezember 1905 stand ein Gerüst aus Balkenwerk auf dem Gelände. Der fertiggestellte 30 Meter hohe Bau befand sich unweit des zweiten Haupteinganges auf der Seite des Dutzendteichs, gegenüber der Bayernstraße und war unter der Nummer 27 im Lageplan gekennzeichnet.

Preisliste D20 der Schwan-Bleistift-Fabrik, 1925

Preisliste D20 der Schwan-Bleistift-Fabrik, 1925 (Rückseite vom Umschlag), Quelle: Unternehmensarchiv der Firmengruppe Schwan-STABILO, Signatur: 17/1/1 (Lizenz: CC BY-NC-ND)

Der Pavillon mit einem hexagonalen Grundriss war wie folgt aufgebaut: In der Mitte ragte ein gelber 30 Meter hoher HB Aldebaran Bleistift in den Himmel, dessen Umfang über vier Meter betrug und alleine die Spitze nicht weniger als sechs Meter ausmachte. Flankiert wurde der Aldebaran von sechs olivgrünen Bleistiften Nr. 270, die zwölf Meter hoch waren. Zusammen mit den sechs Stiften und den Zwischenwänden aus umlaufenden Gittern wurde eine offene Galerie ausgebildet. Außen an der Galerie waren das Logo und ein Schriftzug der Firma angebracht, die von den Künstlern Lorenz Ritter, Ernst Loesch und Herman Schwabe ausgearbeitet wurden. Zu beiden Seiten des Pavillons konnten die Besucher über jeweils eine Freitreppe das Innere betreten. Sechs Schwäne aus Holz bildeten den Abschluss der Treppengeländer. Im Inneren des Pavillons am Fuße des 30 Meter hohen Bleistiftes waren Schaukästen eingelassen mit den Erzeugnissen der Firma: Grünpolierte Zeichenstifte Nr. 270, Schulstifte Adam Riese, Poststifte Schwan Großberger & Kurz, Zimmermannstifte, Brieftaschenstifte, Spitzenschoner, Blei- und Farbminen. Die Blei- und Farbstifte in chronologischer Reihenfolge und einer ›geschmackvolle[n] Anordnung‹ schafften eine Übersicht über die Produkte der Schwan-Bleistift-Fabrik seit ihrer Entstehung. Begleitend zur Ausstellung hing eine Tabelle mit Produktionsziffern und erstaunte die Besucher mit der Angabe der Jahresproduktion von etwa 50.000.000 Bleistiften.

Bleistiftzeichnung vom Riesenbleistift, 1928

Bleistiftzeichnung vom Riesenbleistift, 1928, Quelle: Unternehmensarchiv der Firmengruppe Schwan-STABILO, Signatur: 2/2/3/6 (Lizenz: CC BY-NC-ND)

 

Stimmen in der Presse

In den Zeitungen von 1905 bis 1907 wurde über den Pavillon in unterschiedlichster Weise berichtet. In der offiziellen Ausstellungszeitung vom Dezember 1905 wurde bereits auf den Riesenbleistift verwiesen: »Noch steht das Werk im Rohen da, doch erkennt man schon, daß hier ein Meister tätig war.« Mehrfach wurde der Riesenbleistift als Wahrzeichen der Bleistiftindustrie in Nürnberg und der Ausstellung bezeichnet. Zum Beispiel in der Ausstellungszeitung vom 5. Oktober 1906 heißt es: »(…) schon des öfteren ist der Riesenbleistift für ein ›Wahrzeichen der Ausstellung‹ erklärt worden, das Jedem unvergeßlich bleiben wird, der es gesehen hat.« Und in einer etwas kritischeren Wortmeldung der Münchner Neuesten Nachrichten vom 4. Juni 1906 steht: »Von den weiteren Bauten an diesem Wege mag zunächst der interessante Riesenbleistift der Schwanhäusserischen Fabrik, eines der Wahrzeichen der Ausstellung, wegen der geschickten Anordnung des spröden Themas, nicht wegen der weniger glücklichen farbigen Behandlung nicht vergessen sein.« Ebenfalls nach dem Ende der Landesausstellung wurde in der Presse der Riesenbleistift immer wieder erwähnt beispielsweise in der Beilage zur Modernen Kunst: »Die vorjährige bayerische Landesausstellung in Nürnberg hat auch Schreiber dieser Zeilen dahin gelockt, und noch frisch in seinem Gedächtnis lebt das Wahrzeichen derselben, der Riesenbleistift der Nürnberger ›Schwan-Bleistift-Fabrik‹, der für die Besucher der Ausstellung eine ähnliche Bedeutung erlangte, wie seinerzeit in Paris der Eiffelturm.« Die durchgehende positive Resonanz in der Öffentlichkeit und der Vergleich des Pavillons mit dem Eiffelturm steigerte die Wertschätzung für die Bleistiftproduktion in Nürnberg und darüber hinaus.

Für seine Leistungen erhielt die Schwan-Bleistift-Fabrik bei der Landesausstellung eine Goldene Medaille in der Industriegruppe X. Polygraphische Gewerbe.

 

Literatur:

Kluxen, M. Andrea: In Nürnberg Industrie, in München Kunst – Zur Industrialisierung Mittelfrankens. In: Blessing, Werner (Hrsg.): 200 Jahre Franken in Bayern. Regensburg 2006, S.111-112.

Kühhorn, Susanne: Die Industrieausstellungen in Nürnberg in den Jahren 1882, 1896 und 1906. Magisterarbeit. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1984.

Lageplan Bayerische Jubiläums-Landes-Industrie-Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Nürnberg. Beilage zum Adreßbuch 1906. Verlag des Stadtmagistrats Nürnberg.

Rée, Johannes: Illustrierte Ausstellungszeitung. Amtliches Organ der unter dem Protektorate Sr. Königl. Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern stehenden III. Bayerischen Jubiläums-Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nürnberg 1906. Nr.1-42.

Ruppert, Wolfgang: Vom König eine Prämie – Landesausstellungen. In: Glaser, Hermann (Hrsg.): Industriekultur in Nürnberg. Eine deutsche Stadt im Maschinenzeitalter. München 1980, S. 91-95.

StadtAN C 7/ I GR Nr. 12672.

Stalla, Robert: Die Bayerische Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906 und die Anfänge moderner industrieller Formgebung. In: Blessing, Werner (Hrsg.): 200 Jahre Franken in Bayern. Regensburg 2006, S.116-120.

Unternehmensarchiv Schwan-STABILO 2/2/3/6; 12/2/2/1, 17/1/1.

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1 Kommentar

  1. Wowter 10 Mai, 2020 at 09:18 Antworten

    Danke! Das war sehr interessant. Also nicht Claes Oldenburg als Architekt :). Eine spezielle Geschichte. Grüße aus den Niederlanden.

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