Vor 50 Jahren - Schreckliche Bilanz eines Hubschrauberabsturzes 1971 in Pegnitz: 37 tote junge US-Amerikaner!

Der 18. August 1971 hätte in Pegnitz ein ganz normaler Sommertag werden können…doch ein Ereignis am Morgen änderte alles!

Schauen wir darauf, was Polizeihauptmeister Gerhard Zuehlke später zu Protokoll gab:

"Am Mittwoch, 18.08.71, um ca. 09.30 Uhr wurden wir über einen Verkehrsunfall informiert, der sich an der Autobahnausfahrt Grafenwöhr ereignet haben sollte. Polizist Buchmann und ich fuhren zu obigem Ort. Da wir keine Unfallbeteiligten sehen konnten, fuhren wir weiter bis zur Autobahn in Richtung Bayreuth. In diesem Moment kam ein Hubschrauber von Osten angeflogen. Da es ein neues Modell war, wurden wir darauf aufmerksam . Plötzlich ertönte ein lautes Explosionsgeräusch und ich merkte, dass der Hubschrauber, während er hoch in der    Luft war, Teile verlor. Es gab kleine und große Stücke. Was mich am meisten überraschte, war ein langes dünnes Stück, wahrscheinlich ein Rotorblatt, das sich noch drehte und dann langsam herunterfiel. Durch die rotierenden Bewegungen funkelte es im Sonnenschein. Ich kann nicht bestätigen, dass der komplette Hubschrauber in der Luft auseinanderfiel. Den Hubschrauber selbst konnte ich aufgrund der hügeligen Landschaft, die wir  mit unserem Streifenwagen während der Fahrt auf der Autobahn erreichten, nicht mehr sehen. Als ich das knackende Geräusch hörte und die Trümmer herumfliegen sah, schaute ich auf die Uhr, die 09.45 Uhr anzeigte. In diesem Moment kontaktierte ich per Funk die Einsatzpolizei und die Feuerwehr meiner Dienststelle in Pegnitz, da ich davon ausgegangen bin, dass sich ein Unfall ereignet hatte"

Chinook-Hubschrauber bei einem Übungseinsatz in Deutschland - Foto: Archiv Melissa Powers
Dolan-Barracks in Schwäbisch Hall

Wie hatte der Tag begonnen: in den Dolan Barracks Schwäbisch Hall startete am frühen Morgen des 18. August 1971 ein US-amerikanischer Transporthubschrauber des Typs "Chinook - CH-47A" - an Bord 33 Mann des "2nd Battalion, 4th Infantry Heavy Mortar Platoon", stationiert in den Wilkin Barracks Kornwestheim und vier Mann der Hubschrauberbesatzung der "15th Aviation Group Flight Crew", stationiert in den Dolan Barracks. Das Ziel des Hubschraubers war der amerikanische Militärstützpunkt Grafenwöhr in der Oberpfalz, wo die jungen Männer ein sog. "Mörsertraining" absolvieren wollten. Die Mission der Truppen bestand darin, Sicherheitskräfte für die an der Nordgrenze stationierten Pershing-Atomraketen bereitzustellen. Viele der Soldaten hatten sich freiwillig für diesen Trainingseinsatz gemeldet.

Von Schwäbisch Hall aus verlief der Flug in nordöstlicher Richtung zunächst routinemäßig. Als sich der Hubschrauber auf Höhe der Autobahnraststätte "Fränkische Schweiz" der A9 befindet, passiert plötzlich das Unfassbare. Lassen wir wieder die Zeitzeugen sprechen:

"Am besagten Tag im August 1971 war ich als damals 10-jährige mit meiner Mutter, Oma und meiner 6-jährigen Schwester auf dem Rübenacker" erzählt Gerlinde F. Als wir nach Hause fuhren sagte plötzlich meine Mutter…. "Mädels schaut mal da vorne ein riesengroßes Flugzeug und so niedrig." Wir waren total fasziniert, denn so nah hatten wir noch kein Flugzeug gesehen. Wir sahen das es immer weiter runter kommt und plötzlich gab es einen ganz lauten Knall und es war nur noch eine riesengroße Rauchwolke zu sehen. Ich sagte “Mutti wo ist das Flugzeug?“

Die heute 82-jährige Maria R. erzählt, wie sie damals gerade mit ihrer 6 Wochen alten Tochter vom Arzt kam. Sie sah vom Fenster ihres Hauses - an dieser Stelle steht heute ein Baumarkt an der Bundestraße 2 - die Szenerie. Sie hörte ein lautes, ohrenbetäubendes Geräusch und sah dann als nächstes „Rotorblätter fliegen“ – danach ein „Feuerball“. Sie flehte zum lieben Gott – sie vermutete, dass in dem Hubschrauber vielleicht 2-3 Menschen sitzen. Als Sie dann von 37 ums Leben gekommenen jungen US-Amerikanern hörte, war Sie geschockt.

Zitat: „Ich werde das mein ganzes Leben lang nicht vergessen!“

Hubschrauberabsturz am 18. August 1971 bei Pegnitz - Foto: Privatsammlung Christina Löhr
Hubschrauberabsturz am 18. August 1971 bei Pegnitz - Foto: Privatsammlung Christina Löhr

Keiner der Soldaten überlebte das grausame Unglück. Fast alle verbrannten - auf dem Feld, im nahegelegenen Wald und zwischen den Wrackteilen. Nur zwei Soldaten waren "vom Anschein her unversehrt" gefunden worden. Sie waren wahrscheinlich aus dem Hubschrauber geschleudert worden oder hatten tatsächlich versucht, zu springen. Den Sturz aus dieser Höhe überlebten sie nicht. Der letzte der verunglückten Soldaten wurde erst vier Tage später in einem Waldstück gefunden. Die herbeieilenden Rettungskräfte konnten nur noch den Tod aller jungen Männer feststellen und deckten die Leichen mit Tüchern ab. Die deutschen Polizeikräfte standen auf verlorenem Posten gegen die von allen Seiten anrückenden Menschen, die zur Unglücksstelle gepilgert waren - selbst PKW's wurden am Waldrand und auf den Feldern abgestellt. Leider muss man in diesem Zusammenhang von Schaulustigen sprechen. Die heimischen Feuerwehren bekämpften die Brandstellen. Wrackteile, brennende Felder und Wälder mussten gelöscht werden. Und natürlich oblag ihnen auch die traurige Aufgabe, brennende Leichen und Leichenteile zu löschen. Nach etwa einer Stunde rückte die US-amerikanische Militärpolizei an und sperrte das Gelände weitläufig ab. Ab jetzt bestimmten Hubschrauber sowie Rettungs- und Polizeifahrzeuge des US-Militärs die Szenerie - auch eine Nachrichtensperre wurde verhängt.

Wie sich Jahre später herausstellte hatte ein Ermüdungsbruch im Bereich des hinteren Rotorblattes zu dessen Ausfall geführt; ein Rotor löste sich, verursachte einen Strukturschaden und der Hubschrauber stürzte ab.

Löscharbeiten nach dem Hubschrauberabsturz am 18. August 1971 bei Pegnitz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Rettungskräfte eilen an den Absturzort nach dem Hubschrauberabsturz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

50 Jahre danach widmet sich die Ausstellung "Forever in our thoughts - Für immer in unseren Gedanken" diesem Thema. Natürlich geht es auch um den Ablauf des tragischen Unglücks an sich, im Mittelpunkt stehen aber natürlich die 37 jungen US-Amerikaner, die an diesem 18. August 1971 ihr Leben auf der "Fischelhöhe" bei Pegnitz verloren. Wir gedenken Ihnen und Ihrem "jungen, kurzen Leben" und trauern mit ihren Angehörigen. Dabei geht es in erster Linie um Geschwister, aber auch um Ehefrauen und Kinder - die Eltern sind größtenteils nicht mehr am Leben. Erstmals können den Namen auch Gesichter zugeordnet werden - zumindest bei 28 Soldaten konnte ein Foto ermittelt werden. Was aber noch wichtiger ist, ist die Lebensgeschichte hinter den Gesichtern!

Bilder der verunglückten jungen US-Soldaten - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Über Ahnenforschungsdatenbanken und dann natürlich über den persönlichen Kontakt mit Angehörigen konnten die 37 Lebensgeschichten "nachgezeichnet" werden. Auf diese Weise gelangte das Stadtarchiv Pegnitz an teilweise sehr persönliche Fotos, Berichte und Dokumente. Hervorzuheben ist, wieviel Vertrauen und Dankbarkeit dem Verfasser dieses Artikels und Gestalter der Ausstellung entgegengebracht wurde. Ein ganz herzlichen Dank gilt deshalb den Angehörigen!

Stellvertretend für alle 37 tödlich verunglückten jungen Männer seien hier einige Lebensgeschichten dargestellt:

Gedenktafel mit den Namen der ums Leben gekommenen Soldaten - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Arthur "Artie" Robert Kearney Jr., einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten - Foto: Archiv Familie Kearney
Peter Kearney (links), Claire O Brien, Laurene Gagliano Suzanne Kelly (v. links) beim Gedenktag am 18. August 2021 - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Arthur ("Artie") Robert Kearney Jr., geb. am 21. Juli 1947 in New York, das älteste von zehn Kindern und der erste Sohn von Arthur Kearney sen. und Mary Kearney, geborene Springer. Wie seine Geschwister erzählen, war er der ganze Stolz seiner Eltern und hatte eine tadellose Schul- und Studienkarriere hingelegt, bevor er 1970 in die US-Army eintrat. Wie alle seine Geschwister wuchs er in Floral Park (Long Island) auf. Es war für die Stadt Pegnitz eine große Freude und Ehre, drei Schwestern und einen Bruder von Arthur beim 50. Gedenktag am 18. August 2021 begrüßen zu können.

Arthur "Artie" Robert Kearney Jr. mit Eltern und Geschwistern in den 1950er Jahren - Foto: Archiv Familie Kearney
Die Geschwister Kearney mit ihrer Mutter etwa im Jahr 2000 - Foto: Archiv Familie Kearney

Roger Madison Hartman, geb. am 31. August 1950 in Roanoke, Virginia. Roger hatte seine Frau Beth am 31. August 1970 geheiratet. Ein ganz besonderer Tag, denn auch Beth hatte an diesem Tag ihren Geburtstag. Ein Jahr später verlor Roger bei dem tragischen Hubschrauberabsturz sein Leben. Anstatt, dass sie beide zusammen ihren ersten Hochzeitstag feiern konnten, musste Beth ihren Mann an diesem Tag beerdigen.

Roger Madison Hartman mit seiner Ehefrau Beth bei ihrer Hochzeit im August 1970 - Foto: Archiv Hartman-Mathias
Roger Madison Hartman, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten - Foto: Archiv Hartman-Mathias
Nachricht zum Tod von Roger Madison Hartman in einer US-Zeitung - Foto: Archiv Hartman-Mathias

James Wilburn Hensley. einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten - Foto: Archiv Melissa Powers
James Wilburn Hensley mit Ehefrau und Tochter im Jahr 1970 - Foto: Archiv Melissa Power

Captain James Wilburn Hensley, geb. am 7. August1941, in Ellijay, Georgia war der Pilot des Chinook-Hubschraubers. Er hatte vier jüngere Geschwister und hinterließ bei seinem Tod seine Ehefrau und seine Tochter Melissa, die auch heute noch in ihrer Heimat Georgia lebt. James W. Hensley war im Vietnam-Krieg im Einsatz und auf Hawaii stationiert, bevor er nach Deutschland kam.

Captain James Wilburn Hensley bei einem Übungseinsatz mit dem Chinook-Hubschrauber - Foto: Archiv Melissa Powers

Dennis Angelo Ferraro, geb. am 25. Mai 1950 in Pennsylvania, war der Crew-Chief des Helikopters. Er war im Vietnam-Krieg in den Jahren 1969-1970 in über 100 Kampf- und Rettungsflügen im Einsatz. Im Anschluß daran wurde er nach Deutschland verlegt. Sein Bruder Robert konnte einiges über ihn erzählen.

Begräbnisstätte von Dennis Angelo Ferraro - Foto: Archiv Robert Ferraro
Dennis Angelo Ferraro als Crew-Chief im Chinook-Helikopter 1970 - Foto: Archiv Robert Ferraro

Samuel Mansfield Cherry mit seinen Eltern - Foto: Archiv Peter Cherry
Samuel Mansfield Cherry, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten - Foto: Archiv Peter Cherry

Samuel Mansfield Cherry, geb. am 16. April 1950 in Northbrook, Cook, Illinois. Sein Vater Walter gründete 1953 in Highland Park, Illinois das Unternehmen Cherry Electrical Products, heute ist das Unternehmen einer der Weltmarktführer bei Computer-Tastaturen. Zusammen mit seinem Bruder Peter sollte Samuel eigentlich einmal die Firma übernehmen.

Auch die verheirateten Lawrence Joseph Angelini, geb. am 11. Dezember 1942 in New York City und George Jacob Gongaware, geb. am 8. Mai 1947 auf Hawaii gehören zu den Opfern des Absturzes und hinterließen ihre Ehefrau und auch Kinder. Das jüngste Absturzopfer war der erst 18jährige Eddie Wayne Nichols, geb. am 14. Oktober 1952 in Rocky, Washita County, Oklahoma - er war bereits Vater zweier Kinder. Ums Leben gekommen war auch der Architekturstudent Paul Edward Hickson, geb. am 13. Oktober 1946 in Ithaca, Tompkins County, New York.

George Jacob Gongaware, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten, Darstellung in der Ausstellung "Forever in our thoughts" in Pegnitz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Paul Edward Hickson, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten, Darstellung in der Ausstellung "Forever in our thoughts" in Pegnitz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Eddie Wayne Nichols, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten, Darstellung in der Ausstellung "Forever in our thoughts" in Pegnitz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Lawrence Joseph Angelini, einer der ums Leben gekommenen US-Soldaten, Darstellung in der Ausstellung "Forever in our thoughts" in Pegnitz - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Dies und vieles mehr ist in der Ausstellung im Bürgerzentrum Pegnitz (Hauptstraße 73, 91257 Pegnitz) noch bis zum 12. November 2021 zu sehen.

Ausstellungsplakat für die Ausstellung "Forever in our thoughts - Für immer in unseren Gedanken" - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Die Tragweite dieses schrecklichen Unglücks wird dadurch deutlich, dass sogar Bundespräsident Gustav Heinemann dem US-Präsidenten Richard Nixon sein Beileid bekundete.

US-Präsident Richard Nixon - Foto: InternationalPress-Archive
Bundespräsident Gustav Heinemann - Foto: Bundesarchiv
Beileidstelegramm aus dem Bundespräsidialamt an US-Präsident Richard Nixon - Foto: Bundesarchiv Koblenz
Gottesdienst am Tag der Einweihung der Gedenkstätte am 1. Juni 1973 - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Einweihung der Gedenkstätte am 1. Juni 1973 - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Am 1. Juni 1973 wurde die Gedenkstätte auf der Fischelhöhe bei Pegnitz eingeweiht. Seitdem gedenken jedes Jahr am 18. August die Stadt Pegnitz, die US-Army und natürlich die Bevölkerung der tödlich verunglückten 37 jungen Männer. Nachdem in den 2000er Jahren die Gedenkfeiern eine Pause einlegten, fand heuer anlässlich der 50. Jahrestages des Unglücks wieder eine große Gedenkfeier statt - es war eine sehr würdevolle Veranstaltung, bei der auch alle pandemiebedingten Vorsichtsmaßnahmen eingehalten wurden.

Familie Kearney vor dem Gedenkstein, Gedenkveranstaltung 50. Jahrestag zum Hubschrauberabsturz am 18.08.1971, Fichelhöhe Pegnitz, 18.08.2021 - Foto: Stadt Pegnitz
Gedenkveranstaltung 50. Jahrestag zum Hubschrauberabsturz am 18.08.1972, Fichelhöhe Pegnitz, 18.08.2021 - Foto: Stadt Pegnitz




Jacob Bradford von der US-Army am Stützpunkt in Grafenwöhr hat ein eindrucksvolles, würdevolles Video über das tragische Unglück und die 37 ums Leben gekommenen jungen Männer gestaltet.

Die Gedenkstätte an der Fischelhöhe im Frühjahr 2021 zeigt ein Kurzvideo des Stadtarchivs Pegnitz.

Nähere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie im Stadtarchiv Pegnitz. Kontaktdaten: Stadtarchiv Pegnitz, Hauptstraße 37, 91257 Pegnitz - Tel. 09241-723-26 - E-mail: andreas.bayerlein@stadt-pegnitz.de

Die Ausstellung "Forever in our thoughts - Für immer in unseren Gedanken" könnte durchaus auch "wandern". Bei etwaigen Interesse bitte beim Stadtarchiv Pegnitz melden.

2 Kommentare

    • Andreas Bayerlein 26 Oktober, 2021 at 14:45 Antworten

      Hallo Herr Jochem,
      danke für Ihren Kommentar bzw. die Rückmeldung.
      Ich habe mich darüber gefreut.
      Tatsächlich ist dieses Ereignis höchst interessant, aber zugleich in hohem Maße tragisch.
      Wie ich es schön öfter gesagt habe, in diesem Thema bzw. in der Ausstellung dazu steckt viel “Forschergeist”, aber insbesondere sehr viel Herzblut.
      Was mir am meisten gegeben hat, ist der Kontakt mit den Angehörigen – den Geschwistern, Ehefrauen und Kindern. Was bleibt, ist dann im besten Fall eine deutsch-amerikanische Freundschaft.
      37 junge US-Amerikaner – “Forever in our thoughts – Für immer in unseren Gedanken”
      Andreas Bayerlein

Kommentieren