Von Faulkner bis Vonnegut: Die Bücher des DAI im Stadtarchiv Nürnberg

Am 14. November 2016 kann das Deutsch-Amerikanische Institut (DAI) Nürnberg das 70. Jubiläum seiner Gründung begehen, das 1946 als „American Library“ geschaffen und im Folgejahr der vom Nationalsozialismus befreiten Bevölkerung geöffnet wurde, um ihr durch Bücher und audiovisuelles Material demokratische Werte und Wissen über die westliche Welt, insbesondere die USA, zu vermitteln.

Zusammen mit dem Registraturgut des DAI gelangten seit 2003 fast 700 Bände ins Stadtarchiv und bilden hier einen umfangreichen Teil des Bestands E 6/799. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um Titel, die einmal in Nürnberg ausleihbar waren, sondern auch aus den „Reading Rooms“ in Amberg, Erlangen, Heilbronn, Regensburg, Weiden und Zirndorf, die nach deren Auflösung hier gesammelt wurden, darunter als ältestes Stück die Erstausgabe des 1916 in New York erschienenen Romans „Penrod and Sam“ von Booth Tarkington. Somit bietet die Sammlung einen für ein deutsches Kommunalarchiv wohl einmaligen Einblick in 80 Jahre US-Buchproduktion in den Bereichen Unterhaltung, Länderkunde, Geschichte, Politologie, Psychologie, Pädagogik, Recht, Lyrik, Theater, Musik, Sprach- und Naturwissenschaften mit einem zeitlichen Schwerpunkt in den 1940-er Jahren (339 Einheiten).

Exemplar von „The Thurber Carnival“ (1945) im Bestand E 6/799

Exemplar von „The Thurber Carnival“ (1945) im Bestand E 6/799

Ein typisches Beispiel für den Inhalt und die Laufbahn eines Druckwerks dieser Herkunft ist James Thurbers abgebildeter „The Thurber Carnival“ (E 6/799 Nr. 1416). Mit diesem Buch von 1945 des damals gefragten Satirikers sollte dem deutschen Publikum das Leben in Amerika, v.a. das Verhältnis der Geschlechter, auf humorvolle Weise nähergebracht werden. Stempel und Karteikarten dokumentieren die Geschichte des Exemplars: Aus der Bücherei des 39. US-Infanterieregiments gelangte es über die Information Control Division (ICD) der Militärregierung in den Amberger Reading Room der United States Information Agency (USIA), wo es zwischen 1948 und 1958 ausgeliehen wurde, um nach der Schließung der Institution beim DAI in Nürnberg archiviert zu werden.

Betrachtet man die Genres und ihren jeweiligen Umfang, so wird deutlich, dass die Verantwortlichen - zunächst die zum State Department gehörende USIA, seit 1962 der deutsch-amerikanische Trägerverein des DAI - ihr Anliegen nicht durch platte Propaganda, sondern hauptsächlich Erzeugnisse der US-Alltagskultur vermitteln wollten. Entsprechend selten findet man antikommunistische Kampfschriften, aber auch wenig Literatur über die NS-Zeit. Angeboten wurden der Leserschaft - in Hochzeiten wie 1947 durchschnittlich 2000 Nürnbergerinnen und Nürnbergern im Monat - ebenso deutsche Titel und Übersetzungen, wenn sie ins Profil der Bibliothek passten, etwa die von Winston Churchill verfasste elfbändige Geschichte des II. Weltkriegs oder Texte von James Fenimore Cooper und John Dos Passos.

Im Original vertreten sind bekannte Werke von Pearl S. Buck, Truman Capote, Daphne Du Maurier, William Faulkner, Henry Wadsworth Longfellow, W. Somerset Maugham, George Santayana und Kurt Vonnegut, aber auch die in den Vereinigten Staaten sehr populären Frauenromane einer Edna Ferber (1885 - 1968), die in Deutschland kaum jemand kennt, oder Willa Cathers (1873 - 1947) Geschichten von den Siedlern an der „Frontier“ im Wilden Westen. Aus der Sparte Landeskunde hervorzuheben sind die 34 Bände mit Beschreibungen einzelner Bundesstaaten und Großstädte aus den 1930-er bis 1960-er Jahren im Rahmen des „Federal Writers’ Project“, einer seit dem „New Deal“ laufenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Schriftsteller.

Heute können die Bücher zwar nicht mehr zur Lektüre nach Hause mitgenommen werden, sind aber über die Beständedatenbank des Stadtarchivs erschlossen und vermitteln zusammen mit den ebenfalls im Fundus enthaltenen Filmen, Fotos, Schallplatten, Ton- und Videokassetten einen Eindruck von dem Bild, das die Vereinigten Staaten zwischen 1945 und 1990 von sich geben wollten. Dass dies möglich ist, verdanken wir den Mitarbeitern des DAI, die die ausgemusterten Exemplare nicht einfach entsorgt, sondern konsequent gesammelt haben - auch wenn der Liebhaber unter ihnen Comics und „Murder Mysteries“ vermisst.

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