Ein Schwarzbau aus dem 16. Jahrhundert. Das so genannte Doktorsschlösschen in Nürnberg-Mögeldorf.

Der heutige Nürnberger Ortsteil Mögeldorf konkurriert mit dem jenseits der Pegnitz gelegenen Erlenstegen hinsichtlich der Anzahl an Herrensitzen. Die Forschung kennt für Erlenstegen acht solcher Sitze aus verschiedenen Epochen; die gleiche Zahl wird für Mögeldorf angegeben, wenn auch in beiden Fällen nicht jeder Sitz vollständig dokumentiert ist, und in einem Fall – dem Sitz III in Mögeldorf – inzwischen feststeht, dass es ihn nie gegeben hat. 2007 haben die Autoren Robert Giersch, Andreas Schlunk und Bertold Frhr. von Haller den 50. Band des Vereins „Altnürnberger Landschaft e.V.“ gestaltet, der unter dem Titel: „Burgen und Herrensitze in der Nürnberger Landschaft“ erschienen ist. Gleichzeitig wurde eine vollständige Fassung der einzelnen Einträge zu den beschriebenen Burgen und Sitzen im Internet zur Verfügung gestellt, worauf hier gerne verwiesen wird (siehe: http://www.herrensitze.com/).

Der in der angegebenen Literatur als Herrensitz VI geführte Sitz erhielt im 19. Jahrhundert den Hausnamen „Doktorsschlösschen“, weil ihn 1835 der Wundarzt Johann Paul Eckstein erworben hatte, in dessen Händen, bzw. denen seiner Witwe, der Sitz bis 1873 verblieb.

Doktorsschlösschen in Mögeldorf (Stadtarchiv Nürnberg A 108 Nr. 304 / 20)
Stadtarchiv Nürnberg A 108 Nr. 304 / 20: Blick durch Bäume auf das Doktorsschlösschen, auch als "Holzschuher Schloß" bezeichnet.

Was man bisher nicht herausfinden konnte, war das tatsächliche Alter dieses Sitzes. Der Nürnberger Lokalforscher Friedrich August Nagel vermutete eine Errichtung des Sitzes im 15. Jahrhundert durch die damalige Besitzerfamilie Deichsler. Sicher ist, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Hans Deichsler Inhaber eines dortigen Bauernhofs war. Dieser Hans Deichsler III. war seit 1531 mit Katharina Groland (gest. 1572), einer Patrizierstochter, verheiratet. Im Folgejahr wurde er Genannter des Größeren Rats der Reichsstadt Nürnberg. Er verstarb 1554 (s. Stadtarchiv Nürnberg GSI 152).

Die Autoren des oben erwähnten Werks über die Burgen und Herrensitze berichten den angeblichen Verkauf eines Herrensitzes im Jahre 1538 durch Hans Deichsler an die Nürnberger Patrizierfamilie Holzschuher, bezweifeln diesen Vorgang jedoch. Immerhin seien damals schon ein Herren- und ein Voitenhaus (= Verwaltershaus) u.a. mit integriertem Bad erwähnt worden.

Im Stadtarchiv Nürnberg konnte kürzlich ein Dokument aus dieser Zeit gefunden werden, das sich wenigstens in Abschrift erhalten hat. Es steht in einem Sammelband aus dem frühen 18. Jahrhundert, in welchem man Urkunden über Rechtsverhältnisse in Nürnberg und Umgebung zusammenstellen ließ (Stadtarchiv Nürnberg B 11 Nr. 375). Der Band diente sicherlich für den Amtsgebrauch in der städtischen Kanzlei, in den verschiedenen Behörden der Reichsstadt, wie auch wohl zum schnellen Auffinden wichtiger Tatsachen als Entscheidungshilfe in Ratssitzungen.

Auf Blatt 52 r bis Blatt 52 v findet sich die Kopie eines Reverses, den Hans Deichsler am 31. Dezember 1538 ausgestellt hat. Ein Revers war immer dann nötig, wenn ein Bürger eine Vergünstigung von der Obrigkeit erhalten hatte. Mit dem Revers – auf Deutsch manchmal auch ‚Gegenbrief‘ genannt – verpflichtete sich der jeweilige Begünstigte, alle Bedingungen, die an die erhaltene Erlaubnis geknüpft waren, anzuerkennen und natürlich auch einzuhalten.

Hanns Deichsler stellte also am letzten Tag des Jahres 1538 einen Revers über folgende Tatsachen aus: Der Rat der Stadt hatte ihm erlaubt, auf sein Bauernhaus in Mögeldorf ein Obergeschoss zu setzen, das er selbst bewohnen wollte. Nun hatte er aber das Haus gar nicht verändert, sondern ohne Genehmigung einen Herrensitz errichtet, und danach noch ein Voitenhaus, Bad- und Abzihe (= Umzieh = Umkleide-) Stube, eine Vogelstube und einen Söller – eine Art Dachterrasse – gebaut, alles in einer Abseite, also einem Nebengebäude enthalten, das 41 Schuh lang und 31 Schuh breit ist. Der Rat genehmigte dem Aussteller diese Gebäude, obwohl er das Recht gehabt hätte, diesen Sitz samt Anbau beseitigen zu lassen. Deichsler verzichtete dafür auf Feuer- und Waldrecht für den Sitz. Der Sitz durfte nur an Nürnberger verkauft werden und wurde zum so genannten Offenhaus für die Reichsstadt erklärt, was bedeutet, dass die Stadt im Kriegsfall ihre Truppen zur Landesverteidigung in diesen Sitz legen konnte. Für den Anbau mit Voitenhaus, Bad-, Umkleide und Vogelstube samt Söller erhielt der Aussteller ein Wald- und Feuerrecht. Dafür wiederum verzichtete Deichsler auf dasjenige Wald- und Feuerrecht, welches auf einem Gütlein in Mögeldorf, an der Ecke in Richtung Laufamholz gelegen, ruhte, auf dem früher die Witwe Margreth Hanns Pfaffmennin (= Margreth, Witwe des Hans Pfaffmann) gesessen war. Zu diesem Revers erteilte Mathes Löffelholz, Mitglied des regierenden inneren Rats seine Zustimmung als Eigenherr. Ihm gehörte nämlich sowohl das Eigentum an dem aktuellen Gut, als auch an des Graitzen Sitz, dem später so genannten Cnopf'schen Schloss, damals von Peter Grätz bewohnt (= Mögeldorf V). Das Pfaffmännische Gut zahlte 4 Heller in den aktuellen, und 4 Heller in den anderen Sitz.

Die Informationen, welche dieser Text enthält, sind erheblich: Am Wichtigsten ist natürlich die Erkenntnis, dass der bislang nicht zu datierende Herrensitz jetzt auf 1538 zurückgeführt werden kann; fast ebenso wichtig aber ist die bisher ebenfalls nicht bekannte Eigenherrschaft des Mathes Löffelholz über gleich zwei Sitze in Mögeldorf. Die Verlegung des Rechts, im Wald Holz zu schlagen und zu verfeuern, sollte den Reichswald vor Ausbeutung schützen – mehr als ein solches Recht sollte nicht vergeben werden. Der Begünstigte musste sich demnach entscheiden, ob er seinem Hintersassen auf dem erwähnten Gütlein das Feuerrecht weiter lassen, oder ob er es zur Beheizung seines Verwalterhauses, insbesondere aber der dortigen Badstube verwenden wollte.
Nebenbei geht aus diesem Text hervor, dass Deichsler erst am letzten Tag des Jahres 1538 die Vereinbarung mit der Stadt akzeptiert – von einem Verkauf ist hier jedenfalls keine Rede.

Das Doktorsschlösschen wurde leider 1972, unmittelbar vor Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes, vollkommen beseitigt. An der Stelle von Herrenhaus und Schlossgarten stehen heute moderne Bauten zwischen dem Weigelshofer Weg und der Nr. 35 der Mögeldorfer Hauptstraße. Die einstmals die Uferböschung des Pegnitztals beherrschende Position dieses Sitzes zeigt eine Darstellung aus dem Jahre 1788: Die Radierung stammt von dem Nürnberger Künstler Friedrich Albrecht Annert (1759 – 1800), der auch die Vorzeichnung für die Graphik angefertigt hat. Der Blick zeigt links am Rande den Steg bei der später so genannten Satzingermühle über die Pegnitz, oberhalb der Mühle den Mögeldorfer Kirchenberg, und weiter nach rechts das Doktorsschlösschen mit seinen Dacherkern. Daneben sind Bauernhäuser dargestellt. Die Felder im Vordergrund, bei denen sich Spaziergänger sehen lassen, reichen nach rechts bis zur heutigen Mögeldorfer Hauptstraße. Die Bezeichnung des Sitzes als das „v. Scheidlinische Schloß“ geht auf den damaligen Inhaber, den Nürnberger Bankier David von Scheidlin zurück.

Ansicht von Mögeldorf (A 7/II Nr. 820)
Stadtarchiv Nürnberg A 7/II Nr. 820: Ansicht von Mögeldorf, Radierung 21,8 x 19 cm (Platte), Blatt Nr. 4 aus der Serie „Sammlung neuer Prospecten aus der Gegend von Nürnberg“, 1. Heft 1788. Zeichner, Stecher und Herausgeber: Friedrich Albrecht Annert.

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