Gastbeitrag von Dr. Matthias Klaus Braun, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg
Demokratische Unterstützung
Anfangs bestand beiderseits keinerlei Interesse aneinander. Die Nationalsozialisten ignorierten nach der Gründung der Nürnberger Ortsgruppe der NSDAP im Oktober 1922 konsequent den aufstrebenden 1. FC Nürnberg. Mit fünf deutschen Meistertiteln in den 1920er Jahren machte der Verein nicht nur seinem bereits gebräuchlichen, universellen Eigennamen „Club“ alle Ehren, sondern war zu dieser Zeit sogar Rekordmeister im deutschen Fußball. Politische oder antisemitische Angriffe unterblieben zunächst, obwohl der „Club“ hier durchaus Material für die nationalsozialistische Propaganda geliefert hätte. So wechselte sich im Präsidentenamt mit Dr. Leopold Neuburger (1881–1928) ein jüdischer Rechtsanwalt mit Dr. Hans Schregle (1890–1970), einem in der SPD engagierten Lehrer, ab. Auf dem Platz hatte sich unter dem Einfluss ungarischer Spitzenspieler ein erfolgreicher Spielstil etabliert. Gleiches galt für die Trainerbank, wo mit Izidor „Dori“ Kürschner (1885–1941) ein früherer Nationalspieler Ungarns den „Club“ in den mit Meistertiteln erfolgreich abgeschlossenen Endrunden der Jahre 1921 und 1925 ebenso betreute wie 1922. Wie sein Landsmann und ehemaliger Mannschaftskollege Jenö Konrad (1894–1978), der ab 1930 das Traineramt beim „Club“ versah, war Kürschner jüdischer Herkunft.

Allgemein erfuhr der FCN nach 1918 große Unterstützung durch die demokratischen Kräfte in der Stadt. Die Entwicklung des „Volksparks Dutzendteich“ zum Sport- und Naherholungsgelände mit dem Bau eines Sportstadions unter dem liberalen Oberbürgermeister Dr. Hermann Luppe (1874–1945) zeugt ebenso davon wie die Gründung des Amts für Leibesübungen als erster kommunaler Einrichtung seiner Art in Deutschland. Der im benachbarten Zerzabelshof beheimatete „Club“ erkannte das Bemühen der Stadtverwaltung anlässlich seines 25jährigen Bestehens ausdrücklich an, war man doch erst seit zwei Jahren wieder ein echter Nürnberger Verein. Zuvor war man bewusst in den Vorort Zerzabelshof im damaligen Bezirksamt Nürnberg gezogen, um die bei einlasspflichtigen Sportveranstaltungen fällige kommunale Vergnügungssteuer zu sparen. Seit dem 1. November 1923 gehörte das Örtchen mitsamt dem Vereinsgelände und eigenem Stadion dann zum Nürnberger Stadtgebiet.
Erst 1932 widmete sich die radikale Hetzzeitschrift „Der Stürmer“ des mittelfränkischen NSDAP-Gauleiters Julius Streicher (1885–1946) dem FCN. An der Person des Trainers Jenö Konrad und auf Grund seiner jüdischen Herkunft wurde das Ausscheiden des „Clubs“ im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft festgemacht. Dem international anerkannten Fußballfachmann wurde gedroht, besser Nürnberg zu verlassen, da der „Club am Juden zugrunde“ gehe. Mit Frau und Kind verließ der ob der öffentlichen Diffamierung entsetzte Trainer zum Bedauern der Mehrheit im Verein Stadt und Land. Wenn auch nicht zwangsläufig, so hatten sich die politischen Verhältnisse in Deutschland zugunsten der NSDAP entwickelt und die Weimarer Demokratie mit der Ernennung des nationalsozialistischen Parteivorsitzenden Adolf Hitler (1889–1945) zum Reichskanzler an ihr Ende gebracht. Im Frühjahr 1933 folgte auf die Machtübernahme im Reich auch die politische Aneignung kommunaler Ämter. Der bisherige Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Nürnberger Stadtrat, Willy Liebel (1897–1945), folgte Mitte März dem zum Rücktritt gezwungenen Stadtoberhaupt Luppe im Amt nach.

Was verdient Applaus?
Liebel, als Mitbegründer der Hockey-Gesellschaft Nürnberg selbst dem Mannschaftssport zugetan, konnte mit der gerade in seiner Heimatstadt vorherrschenden Popularität des Fußballs und besonders des FCN zunächst nichts anfangen. So begrüßte er Teilnehmer und Publikum an einem Hallensportfest im April 1933, dass er sich mehr darüber freue, „wenn hier Hunderte stehen, um Leibesübungen zu treiben, als wenn 40 000 Zuschauer das Fußballfeld umsäumen und nur 22 aktiv Sport treiben, es müsse eigentlich Forderung sein, daß alle Zuschauer den Nachweis erbringen, daß sie irgend einen Sport treiben und sich nicht nur als Zuschauer Sportleute nennen.“ Kurz darauf wurde er bei einem Schaumanöver der Wehrmacht im Städtischen Stadion noch deutlicher. So hätte es bei den Vertretern von Militär und NSDAP mehr Begeisterung ausgelöst, „daß, als ein Präsentiergriff tadellos gelungen ist, ein tosenderer Beifall durch die Menge brauste, als wenn früher der Stuhlfauth ein Tor gehalten hat.“ Der FCN selbst spielte für die lokalen NS-Vertreter vorläufig keine Rolle. Auch die Selbstanpassung des Vereins durch den Ausschluss der jüdischen Mitglieder im April 1933 löste keinerlei politische Reaktion aus.
Neue Nähe zwischen „Club“ und Stadt
Mit dem wiederaufkommenden sportlichen Erfolg und der anhaltenden Popularität des Fußballs in Deutschland änderte sich die Haltung der NS-Stadtspitze. 1934 war der „Club“ der erste Titelträger des neugeschaffenen Vereinspokals und 1936 nach einer neunjährigen Durststrecke wieder Deutscher Meister. Die Stadtverwaltung hielt sich zugute, als erste Kommune überhaupt im Sportunterricht in den kommunalen Gemeinschaftsschulen einen Schwerpunkt auf Fußball und Eislauf gelegt zu haben. Um das zu unterstreichen, landete man einen personellen Coup. Im Juli 1936 gab Liebel bekannt, dass man mit Heiner Stuhlfauth (1896–1966) den früheren Meistertorwart des FCN und einen der deutschlandweit populärsten Fußballer als Sportlehrer in den Kommunaldienst übernommen hatte. Der eigentlich gelernte Klempner und zeitweilige Gastwirt war mittlerweile als Trainer in Thüringen und Westfalen tätig gewesen. Seine Anstellung sollte die These unterstreichen, dass der neue sportliche Höhenflug des FCN nur wegen der Unterstützung durch die nationalsozialistische Stadtverwaltung möglich gewesen sei.

(Stadtarchiv Nürnberg A 35 Nr. 157/46).
Der beruflichen Neuorientierung ließ Stuhlfauth 1938 die Konzession des Eintritts in die NSDAP folgen. Dass dies in seinem Fall wahrscheinlich beruflich-opportunistische Gründe hatte, lassen die Beschwerden seiner Ortsgruppenleitung über fehlendes Engagement vermuten. Formal war der Eintritt in die NSDAP seit 1937 Voraussetzung für eine Beförderung im Kommunaldienst, auch wenn es weiterhin fachlich begründete Ausnahmen gab.
Der gleichgeschaltete nationalsozialistische Stadtrat, dem auch der Rechtsanwalt und stellvertretende „Vereinsführer“ Gottfried Biemüller (geboren 1905) angehörte, beschloss im Oktober 1935 eine zunächst temporäre, dann ab Mai 1938 dauerhafte Aufhebung der kommunalen Vergnügungssteuer für Fußballspiele. Besonders groß war die städtische Unterstützung, als sich 1936 abzeichnete, dass der „Club“ seinen 6. Meistertitel erringen konnte. Für das Halbfinale in Stuttgart gegen den FC Schalke 04 organisierte und bezahlte die Stadt den euphorisierten NS-Vertretern im Stadtrat neben den Eintrittskarten auch einen eigenen Wagen im Sonderzug dorthin. Beim folgenden Endspiel in Berlin gegen Fortuna Düsseldorf ließen es sich dann weder Oberbürgermeister Willy Liebel noch der NSDAP-Kreisleiter Hans Zimmermann nehmen, persönlich vor Ort mitzufiebern und nach dem 1:0-Sieg mit der Mannschaft auf dem Rasen zu feiern. Eine offizielle Siegesfeier der Stadt im Historischen Rathaussaal fand am Folgetag als Abschluss einer massenhaft bejubelten Fahrt in offenen Wagen vom Hauptbahnhof zum Rathaus statt. Den städtischen Mitarbeitern in der Meistermannschaft – Torhüter Georg Köhl (1910–1944), der linke Läufer Richard Oehm (1909–1975) sowie die Stürmer Max Eiberger (1908–1994) und Georg Friedl (1913–1987) – versprach Liebel dabei drei Tage Sonderurlaub zur Erholung von den Feierlichkeiten. Dass am Abend des gleichen Tages Gauleiter Julius Streicher eine separate Siegesfeier im Festsaal des Industrie- und Kulturvereins ausrichtete und es zu keiner gemeinsamen Inszenierung der lokalen NS-Machthaber kam, kann bereits als Vorbote der sich in den kommenden Jahren verschärfenden Rivalität zu Oberbürgermeister Liebel gewertet werden.


Neue Normalität
Zwar konnte nach 1936 während der NS-Zeit nur noch einmal der Pokalwettbewerb gewonnen werden, womit entsprechende Anlässe für die öffentliche Indienstnahme des „Clubs“ durch die lokale NS-Politik entfielen. Der Verein war jedoch nun fest etabliertes Beiwerk der konstruierten lokalen „Volksgemeinschaft“. Ausdruck fand das ebenso in Freundschaftsspielen während der nationalsozialistischen Reichsparteitage 1935 und 1936, um dem rückläufigen Teilnehmerinteresse an den Propagandaaufmärschen entgegenzuwirken wie an der aktiven Beteiligung am Nürnberger Faschingszug im Jahr 1938. Dieser wurde erstmalig von der Stadt selbst organisiert und transportierte durch die Themenwagen stark ideologische, vor allem antisemitische Botschaften. Letztlich profitierten die nationalsozialistischen Machthaber mehr vom sportlichen Ruhm des „Clubs“ wie umgekehrt dieser von deren Unterstützung. Am Ende des „Dritten Reiches“ war ein Großteil der mühevoll errungenen Trophäen und Pokale im Zuge der kriegsbedingten „Metallspende des Deutschen Volkes“ ebenso wie der vereinseigene Sportpark Zabo zerstört, einzelne Spieler und Funktionäre moralisch kompromittiert. Es ist bezeichnend, dass abermals demokratische, in der NS-Zeit verfolgte Vertreter wie Dr. Hans Schregle die Grundlagen für den erneuten sportlichen Aufstieg legten. So erwirkte der Sozialdemokrat Schregle als erster Regierungspräsident der Nachkriegszeit von Mittel- und Oberfranken die Freigabe des von der US-Armee besetzten Sportparks Zabo. Der „Club“ kehrte damit für seine Meisterschaftsspiele in das Nürnberger Stadtgebiet zurück, so dass Heimspiele im Fürther Ronhof eine kurze Episode blieben. Wenn der sozialdemokratische Oberbürgermeister Dr. Otto Ziebill (1896–1978) den „Club“ anlässlich seines fünfzigjährigen Bestehens würdigte, „wie sehr seine Bestrebungen und seine Erfolge dem Namen ‚Nürnberg‘ dienlich waren“ und auch künftig „zum dauernden Ruhme des Vereins und damit unserer Stadt“ beitragen sollten, sprach fünf Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft hieraus die Hoffnung auf einen Neuanfang für Stadt und Verein.