Jüdische Nürnberger Biografien: Dorothea Strauß-Caspary (1910 - 2005), Grafikerin, Buchillustratorin

Dorothea Strauß, Aufnahme von Kurt Triest um 1933 (StadtAN A 72 Nr. 01/07)

Dorothea kam am 31. Januar 1910 in Nürnberg als erste von zwei Töchtern des Hopfen- und Spielwarenexportkaufmanns Ernst Strauß und seiner Frau Hedwig (Heddi), geb. Fichtelberger, zur Welt. 1920 trat sie von der Grundschule auf die Städtische Höhere Mädchenschule in der Labenwolfstraße über, die sie bis 1926 mit besten Zensuren besuchte. In ihrem Personalbogen am Ende des vierten Gymnasialjahres wurde sie von ihrem Klassleiter so charakterisiert:

Ganz besonders empfindsam - [...] - möchte am liebsten nur das vorbereiten, was ihr Freude macht - zeichnet gern und viel - [...] - im Zeichnen und künstlerischen Geschmack über dem Durchschnitt - liest gern von Entdeckungen und Erfindungen - interessiert sich für Sternkunde, Kunstgeschichte - gärtnert gern.

Nach dem Gymnasium wurde sie in die Grafische Klasse der Kunstgewerbeschule (später Akademie der Bildenden Künste) von Professor Rudolf Schiestl aufgenommen, der ihr erste Aufträge als Werbegrafikerin für die Lebkuchenfabrik Häberlein-Metzger verschaffte. Zwischen 1930 und 1932 folgten Aufenthalte in Stuttgart und Berlin, bevor Dorothea 1933 zusammen mit dem Fotografen Kurt Triest in der Sandstraße 41 Ateliers für Werbegrafik und Fotografie eröffnete.

Die junge Künstlerin entschied sich bereits im August 1933, das Dritte Reich zu verlassen, und ging nach London, um von dort als Betreuerin der drei kleinen Kinder des Ehepaares John Randall und Phyllis Lee die Familie nach Brasilien zu begleiten. Der Engländer hatte sich in Südamerika vom Butler zum Gutsverwalter hochgearbeitet und nahm später bei der Frigorífico Anglo / Brazilian Meat Company eine führende Stellung ein. Am 4. November 1933 trat die Gesellschaft vom luxuriösen Coburg Court Hotel am Londoner Hyde Park ihre Reise mit der Andalucia Star zum Hafen von Santos an.

1935 heiratete Dorothea in São Paulo den ebenfalls aus Deutschland geflohenen Kaufmann Henrique (Heinz) Caspary (1907 - 1960). Aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Ihre Eltern und Schwester Lotte (1913 - 1985) konnten sich noch vor Kriegsbeginn in die USA in Sicherheit bringen, wo letztere Karriere als Pathologin machte.

Seit 1940 bis in die sechziger Jahre war Dorothea Strauß-Caspary in ihrer neuen Heimat eine der gefragtesten Illustratorinnen und Gestalterinnen von Buchcovern, v.a. bei den großen Kinderbuchverlagen. Außerdem arbeitete sie für PR-Agenturen und entwarf Kalender. Beeindruckend ist die Bandbreite ihrer stilistischen Mittel, die von der Romantik über surreale Szenen bis zu kindgerechten bunten Zeichnungen in der Tradition Wilhelm Buschs reicht. 1945 wurde ihr in São Paulo eine Ausstellung der Werke der Künstlerin Dorothea Caspary, besser bekannt unter dem Pseudonym Dorca, gewidmet.

In einem Brief an das Stadtarchiv Nürnberg bekannte sie 1969, für sie sei die Stadt Albrecht Dürers immer mit dem künstlerischen Erlebnis ihrer Jugendjahre verbunden geblieben. Dorothea Strauß-Caspary starb 2005 in São Paulo.

Derzeit findet ihr Schaffen in Brasilien wieder erhöhte Aufmerksamkeit, insbesondere unter den Angehörigen der Generation, die mit den von ihr illustrierten Kinderbüchern aufgewachsen ist. So wie dort ihre Wurzeln in Deutschland weitestgehend unbekannt sind, weiß man hier nichts von einer bemerkenswerten Künstlerin, die die Nazis nach Südamerika vertrieben haben.

Anmerkung: Der Vf. dankt Frau Simone Cavalcante de Almeida, Literatur- und Designwissenschaftlerin in São Paulo, für ihre Informationen über das Leben von Dorothea Strauß-Caspary in Brasilien.

3 Kommentare

  1. Mann 4 Januar, 2022 at 21:11 Antworten

    Dear Jochem,

    As always an very interesting article.

    I was wondering if your book – Jews of Nuremberg was published as a hard copy as it seems only available via Kindle. Do you have an email address as I have a few questions I would like to ask you about my own research.

    Many Thanks

    Alan Mann

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