Es geschah vor 450 Jahren - Linhart II. Tucher stirbt

Beitrag von Michael Diefenbacher und Helge Weingärtner, Stadtarchiv Nürnberg

Vor 450 Jahren, am 13. März 1568, verstarb in Nürnberg der ehemalige Vorderste Losunger und somit das damalige Stadtoberhaupt Linhart II. Tucher. Er entstammte der älteren, auf Hans II. (gest. 1449) zurückgehenden Linie des Nürnberger Patriziergeschlechts. Linhart (= Leonhard) wurde am 10. Februar 1487 als Sohn des späteren Vordersten Losungers Anton II. Tucher (1457-1524) und Anna (1466-1493), der Tochter des Nürnberger Patriziers Thomas Reich (gest. 1469), geboren. Ab 1501 in Lyon, dem damals wichtigsten Handelsstützpunkt der Tucherschen Handelsgesellschaft, zur Ausbildung, trat er 1504 in die väterliche Firma ein, in deren Auftrag ihn Geschäftsreisen nach Italien, Frankreich und in die Niederlande führten. Spätestens ab 1507 leitete Linhart im Namen seines Vaters und zusammen mit dessen Vettern Hans IX. (1452-1521) und Martin I. (1460-1528) das Familienunternehmen, das unter seiner und seines Vetters Lorenz II. (1490-1554, Erbauer des Tucherschlösschens in der Nürnberger Hirschelgasse) Führung die größte Blüte erlebte.

Obwohl die Tucher im Vergleich zu anderen Patrizierfamilien erst relativ spät eine eigene Handelsgesellschaft aufbauten, zählten sie doch zu den bedeutendsten Nürnberger Fernhandelsfamilien. Erst ab 1440 ist eine eigenständige Handelsfirma der Tucher belegt. Ihre frühen geographischen Schwerpunkte lagen in Mitteldeutschland (Leipzig) und Posen, in Ungarn und Österreich, in Oberitalien (Venedig) sowie im Bodenseeraum und im Schweizer Mittelland. Ebenfalls früh existierten Verbindungen nach Flandern (Antwerpen) und Lyon. Das Warensortiment umfasste Leinwand und andere Tuche, Seidenstoffe und Seidenwaren, Samt und Samtwaren, Gewürze, Südfrüchte, Metalle und Metallwaren, Leder, Felle, Häute und Pelze. Im 16. Jahrhundert erfolgte eine starke Konzentration der Geschäfte auf Lyon und Genf, wo die Tuchergesellschaft zusammen mit der Imhoffschen Handelsgesellschaft zur bedeutendsten deutschen Vertretung aufstieg. Wichtigster Handelsartikel war nun Safran. Unter Anton II. und Linhart II. Tucher bauten die Tucher gemeinsam mit konkurrierenden Handelshäusern (vor allem den Nürnberger Welsern und Imhoff) regelrecht ein „Safrankartell“ auf.

Karte zum Fernhandel der Tucherschen Handelsgesellschaft, erarbeitet aus Orten, die in der Briefüberlieferung Antons II. und Linharts II. Tucher genannt sind. Erstellt nach Vorgaben von Dr. Horst-Dieter Beyerstedt und Dr. Michael Diefenbacher von Christoph Valentin, Stuttgart 2008.

Karte zum Fernhandel der Tucherschen Handelsgesellschaft, erarbeitet aus Orten, die in der Briefüberlieferung Antons II. und Linharts II. Tucher genannt sind. Erstellt nach Vorgaben von Dr. Horst-Dieter Beyerstedt und Dr. Michael Diefenbacher von Christoph Valentin, Stuttgart 2008.

Auch in Finanzgeschäften waren die Tucher zu dieser Zeit tätig. Linhart II. engagierte sich in den 1530er Jahren mit insgesamt 20.000 Gulden an Darlehen als einer der großen Kreditgeber Herzog Karls III. von Savoyen (1486-1553, regierte ab 1504) in dessen Auseinandersetzung mit König Franz I. von Frankreich (1494-1547, regierte ab 1515). Allein in den Jahren 1531/32, als Linhart Herzog Karl 20.000 Gulden lieh, hat die Tucherfirma weitere Darlehen auch an andere Empfänger gewährt, sodass sich die Kreditvergaben allein am Handelsplatz Lyon zu jener Zeit auf ca. 65.300 Gulden Darlehen beliefen.

Das dritte wirtschaftliche Standbein der Tucher – sowohl der Handelsfirma als auch einzelner Familienmitglieder – waren Montangeschäfte: 1524 bis 1527 ist Linhart II. als Mitgewerke an der Zeche Stürmheit bei Ilmenau beteiligt. Die Zeche gehörte Graf Wilhelm IV. von Henneberg-Schleusingen (1478-1559), weitere Mitgewerke waren u.a. die Nürnberger Patrizier Sigmund Pfinzing (1479-1554), Clement Volckamer (1495-1541) und Endres Hirschvogel (1489-1537). Die Ausbeute der Stürmheit wurde auf den Leipziger und Naumburger Messen umgeschlagen. Weitere Kuxe besaß Linhart im böhmischen Joachimsthal.

Rechnungsband über ein Bergwerk bei Ilmenau (Thüringen), das die folgenden acht, meist Nürnberger Gewerken gemeinschaftlich als Lehen des Grafen Wilhelm von Henneberg besitzen und ausbeuten: Sigmund Pfinzing, Clement Volckamer, Lorenz Stayber, Endres Hirsvogel, Ulrich Erckel, Endres Echenhauser, Wolf Herckel. Michel Erckel, und Linhart Tucher, 1524-1526, Papier in Pergamenteinband (Stadtarchiv Nürberg E 29/VI Nr. 54).

Rechnungsband über ein Bergwerk bei Ilmenau (Thüringen), das die folgenden acht, meist Nürnberger Gewerken gemeinschaftlich als Lehen des Grafen Wilhelm von Henneberg besitzen und ausbeuten: Sigmund Pfinzing, Clement Volckamer, Lorenz Stayber, Endres Hirsvogel, Ulrich Erckel, Endres Echenhauser, Wolf Herckel. Michel Erckel, und Linhart Tucher, 1524-1526, Papier in Pergamenteinband (Stadtarchiv Nürberg E 29/VI Nr. 54).

Handelszeichen der Tucherschen Handelsgesellschaft, überliefert in einem Brief des Brief des Paulus Tucher aus Wittenberg an seinen Vater Linhart in Nürnberg vom 5. August 1545 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 495).

Handelszeichen der Tucherschen Handelsgesellschaft, überliefert in einem Brief des Brief des Paulus Tucher aus Wittenberg an seinen Vater Linhart in Nürnberg vom 5. August 1545 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 495).

Vor 1440 waren Familienmitglieder der Tucher gemeinsam mit anderen in verschiedenen Handelsgesellschaften tätig, und auch nach der Gründung des eigenen Familienunternehmens engagierten sie sich weiterhin in anderen Handelsgesellschaften. Die eigene Firma wurde über die Zeit ihres Bestehens immer von einem Mitglied – meist dem Senior – der älteren Tucherlinie geleitet, der als Hauptgesellschafter auftrat, fast immer aber weitere Verwandte (überwiegend Söhne oder direkte Vettern und Neffen) als Mitgesellschafter aufnahm. In den Filialen der Firma (Kontore, Faktoreien) arbeiteten auch Mitglieder der jüngeren Tucherfamilie und vor allem familienfremdes angestelltes Personal. Als letzte Nürnberger Patrizierfamilie, die noch Handelsgeschäften nachging, lösten die Tucher ihre Handelsgesellschaft 1648 auf.

Am 26. Januar 1512 heiratete Linhart II. Magdalena, die Tochter des Nürnberger Patriziers Ortolf III. Stromer (gest. 1498) und der Katharina (gest. 1522), Tochter des im böhmischen Montanwesen tätigen Anton Harsdörffer (gest. 1520). Dieser Ehe entstammten vier Kinder, von denen zwei Töchter – Katharina (1515-1561, verh. 1535 mit Georg Geuder) und Magdalena (1517-1544, verh. 1543 mit Hieronymus Imhoff) das Erwachsenenalter erreichten. Nachdem seine erste Frau Magdalena am 7. Juli 1520 verstorben war, heiratete Linhart am 7. Oktober 1522 Katharina (gest. 1550), die Tochter des Nürnberger Patriziers und Losungers Kaspar I. Nützel (um 1471-1529) und der Klara, geb. Held genannt Hagelsheimer (gest. 1547). Aus dieser Ehe gingen nochmals 15 Kinder hervor, zwölf Söhne und drei Töchter. Von diesen erreichten Paulus IV. (1524-1603), Christoph III. (1525-1550), Gabriel I. (1526-1588), Sixtus IV. (1528-1585), Daniel I. (1530-1551), Herdegen IV. (1533-1614), Klara (1536-1574, verh. 1556 mit Karl Fürer) und Levinus I. (1537-1594) das Erwachsenenalter.

Von diesen Kindern erwies sich Sixtus als Sonderfall. Auch für ihn hatte der Vater eine Karriere in der Firma vorgesehen, weswegen er wie seine Brüder zur Ausbildung ins Ausland geschickt wurde. 1543 befand er sich in Limoges bei Jean Bastide in der Lehre, 1544 wurde er nach Lyon geholt, wo er den Unterricht eines Schreibers erhielt. Sein Bruder Christoph musste schon damals nach Nürnberg melden, dass Sixtus trotz seiner bisherigen Ausbildung Defizite im Schreiben erkennen ließ, besonders aber fiel seine Unfähigkeit sich unterzuordnen auf.

In der Folgezeit – Sixtus war inzwischen bei Pierre Archimbeau, einem Lyoner Gewürzhändler untergebracht – häuften sich die Klagen über Sixtus, dessen Verfehlungen das übliche Maß von pubertären Ausbruchsversuchen zu überbieten schienen. Er galoppierte durch die Gegend, wobei er ein geladenes Gewehr mit sich führte. Zur Nachtzeit feuerte er mit seinem Gewehr durchs offene Fenster hinaus. Die Vorhaltungen des Faktors der Tucher, Jacob Reuter, schlug er entweder in den Wind, oder beantwortete sie mit Gegenangriffen wie: Er selbst werde es dem Vater in Nürnberg melden. Linhart Tucher sah sich mehrfach gezwungen, dem Sohn einen, wie man sich damals ausdrückte, „scharfen Brief“ zu schreiben – anfänglich noch an die Einsicht des Sohnes appellierend, später nur noch drohend. Ein Antwortschreiben des Sixtus verrät tatsächlich, wie schwer er sich mit dem Schreiben tat: Er spricht darin von Verleumdung seiner Person aus lauter UnNotnuß und Unvergrundtnushait. Der Faktor Jacob Reuter charakterisierte Sixtus in einem Brief an Linhart mit den Worten, er sei ein wenig freidiger [lebhafter, wilder], dan ewere andre sön.

Trotz aller Betreuung vor Ort besserte sich das Verhalten des jungen Mannes nicht, weswegen Reuter im Frühjahr 1547 melden musste, er sei durch Sixtus derartig provoziert worden, so dass ihm schließlich die Hand ausrutschte. Der Vater begriff sofort, dass Sohn und Faktor voneinander zu trennen waren. So beorderte er Sixtus nach Spanien, wo er zusammen mit seinem älteren Bruder Gabriel im Safranhandel beschäftigt wurde. In den kommenden Jahren hörte man nun keinerlei Beschwerden mehr über Sixtus – offenbar tat ihm die Übertragung gewisser Verantwortung besser als die untergeordnete Tätigkeit eines ewigen Lehrjungen in Lyon. Allerdings erweckt er nach einiger Zeit Verdacht, als ihn der Vater nach Nürnberg einlädt, und er diese Einladung mehrfach mit dem Hinweis ablehnt, er vertrage das Reisen nicht – als Safraneinkäufer war er ständig unterwegs!

Brief (Entwurf) Linhart Tuchers aus Nürnberg an Tobias Tucher in Saragossa, 22.12.1560 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 551).

Brief (Entwurf) Linhart Tuchers aus Nürnberg an Tobias Tucher in Saragossa, 22.12.1560 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 551).

1559 schließlich lässt sich über die Kontrolle seiner Ausgaben eindeutig nachweisen, dass er einen inzwischen etwa fünfjährigen Sohn namens Luis Sixt Tucher hat, der in Saragossa bei Schneidermeister Beltran in Pflege gegeben wurde, wofür die nun zu begleichenden Kosten angefallen waren. Der Knabe befand sich zu diesem Zeitpunkt seit etwa drei Jahren bei Beltran, so dass davon auszugehen ist, seine Mutter sei dementsprechend vor drei Jahren verstorben. Eine Heirat wird zwar nirgends erwähnt, aber Sixtus scheint sein Kind immerhin anerkannt zu haben, wie die Verwendung des Familiennamens nahelegt. Die Brüder und der eigens zur Klärung der Sachlage nach Spanien abgesandte Tobias I. Tucher (1534-1590, 1575-1585 Baumeister der Reichsstadt Nürnberg) versuchten nun immer wieder, das Interesse des Familien- und Firmenoberhaupts Linhart Tucher für das Kind zu wecken, aber dieser blieb völlig ungerührt. So schließt er diesen Fall in einem Brief endgültig mit folgenden Worten: Wegen Sixtus Tuchers ponckart [= Bankert!] gedenck Ich kein Junckhern aus Im zu machen – so darf er sich seines vatters nichtz tresten. Der leibliche Vater wurde nämlich aus dem Geschäft genommen und verbrachte von da an sein weiteres Leben in Nürnberg, wo er 1585 starb – unverheiratet, wie das Große Tucherbuch lapidar vermeldet. Die Nachrichten über Luis Sixt Tucher brechen mit dem Frühjahr 1561 ab. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Rechnung über die Ausgaben für Luis Sixt Tucher, 1559. (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 223).

Rechnung über die Ausgaben für Luis Sixt Tucher, 1559. (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 223).

Ab 1512 Genannter des Größeren Rats, wurde Linhart II. Tucher nach dem Tod seines Onkels Martin I. 1529 in den Kleineren Rat der Reichsstadt gewählt, dem er bis 1564 angehörte (Jüngerer Bürgermeister 1529-1531, Älterer Bürgermeister 1532, Septemvir 1533-1535, Zweiter Losunger 1536-1544, Vorderster Losunger 1544-1564). Bereits 1525 übertrug ihm der Nürnberger Rat das Amt eines der vier Oberalmosenpfleger. Linhart wurde somit zuständig für die in der Reformation säkularisierten Kloster- und Kirchengüter. Ab 1535 war er zudem Pfleger des Augustinerinnenklosters Pillenreuth und 1535/36 des Almosenkastens. 1544 wurde er als Vorderster Losunger zugleich Pfleger des Heilig-Geist-Spitals. Aus „Altersschwachheit“ trat er 1564 aus dem Nürnberger Rat aus.

Notizzettel Linhart Tuchers in Nürnberg über diverse Geldstiftungen für das Heilig-Geist-Spital und die Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz, 1524 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 373).

Notizzettel Linhart Tuchers in Nürnberg über diverse Geldstiftungen für das Heilig-Geist-Spital und die Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz, 1524 (Stadtarchiv Nürnberg E 29/IV Nr. 373).

Während seiner langen Amtszeit im Rat und besonders in seiner Zeit als Losunger ab 1536 ließ sich Linhart offiziell von seinen Ratskollegen genehmigen, weiterhin seinen Verwandten in der Tucherschen Handelsgesellschaft mit Rat beistehen zu dürfen. So blieb Linhart bis zu seinem Tod Teilhaber an dem Tucherischen Familienunternehmen, nach dem Ausscheiden seines Vetters Lorenz II. zusammen mit seinem ältesten Sohn Paulus IV. Aus den Erlösen der Handelsfirma kaufte er 1543/44 den Großen Tuchergarten und ließ die im Zweiten Markgrafenkrieg (1552-1554) zerstörten Besitzungen der Familie bzw. der Dr.-Lorenz-Tucher-Stiftung wieder errichten.
Linhart II., nach seinem Großvater Anton I. und seinem Vater Anton II. der dritte Vorderste Losunger aus dem Hause Tucher in direkter Generationenfolge, bestimmte maßgeblich die Nürnberger Politik in den Auseinandersetzungen um die Augsburger Konfession und im Schmalkaldischen Bund sowie mit Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach (1522-1557, regierte ab 1541) und im Zweiten Markgrafenkrieg. Nach der Familienüberlieferung galt er als rechtschaffen, fleißig und gottesfürchtig.

 

Von seinem Vater hatte Linhart den Stammsitz am Heumarkt (Haus „Zu den Kronen“, Bindergasse 26/Platnersgasse 13) geerbt, den er umbauen und erweitern ließ. Wie eingangs erwähnt, starb er am 13. März 1568 im Alter von 81 Jahren und ist auf dem Johannisfriedhof begraben. Testamentarisch vermachte er der Dr.-Lorenz-Tucher-Stiftung, der er in der Nachfolge Martins I. zwischen 1528 und 1565 als Administrator vorstand, 100 Gulden.

 

 

Brief Linhart Tuchers aus Antwerpen an seinen Vater Anthoni Tucher in Nürnberg, 06.07.1521.
Enthält: Bestätigt den Erhalt des Schreibens vom 17.Juni am 27.Juni durch den Boten Pleicher

Im Wechselgeschäft war Linhart vielleicht etwas vorschnell, aber die Focker (= Fugger) und Andere haben es genauso gemacht. Inzwischen änderte sich der hiesige Markt dergestalt, dass einer gestiegenen Nachfrage nach Geld ein Mangel an demselben gegenübersteht. Die vergangene Ostermesse in Lyon ist gut verlaufen. Hier mussten 2 Häuser der Kaiserlichen Majestät erhebliche Geldsummen verschaffen, was auf Wechsel in Naples (= Neapel)  geschah. Es soll um noch mehr Geld gehen. Man sagt, Majestät wird bald zwischen 8.000 und 10.000 Gulden zusammengebracht haben. Falls das stimmt, so Linhart, dann könnte Majestät damit gut einen Krieg anfangen. Vor 2 Tagen kam die Kunde, die Kaufleute sollten sich mit Leib und Gut aus Frankreich zurückziehen - man weiß nicht, ob es nur ein Gerücht ist. Der Kaiser ließ seinen gesamten Adel aufbieten. Man solle bis zum 26. diesen Monats gerüstet sein. Vor einigen Tagen zog der König von Thenmarck (= Dänemark) mit 4 oder 7 Personen Begleitung ohne großes Aufsehen hier (= Antwerpen) durch, und dann weiter zum Kaiser. Der König soll ein guter Bekannter des Franzosen (= König Franz I.) sein, sodass man von dieser Begegnung eher Übles erwartet, worüber Linhart sich lieber nicht schriftlich äußern will. Zu bedenken ist auch, dass die Tochter dieses Königs mit Marckgraf Jochem Churfürst (= Kurfürst Joachim von Brandenburg) verheiratet ist. Angeblich sollen noch mehr Könige zum Kaiser kommen. Linhart glaubt dies jedoch nicht. Linhart selbst war vor einigen Tagen am Hof des Kaisers im Brüssel gewesen. Er (= Kaiser Karl V.) hatte wenig Leute um sich, meist nur junge Herren. Er soll demnächst nach Antwerpen kommen. Es heißt, er werde gegen September wieder nach Spanien zurückkehren. Er ließ schon alle Schiffe und Seeleute hier festhalten. Frankreich soll sich des Königreichs Nafara (= Navarra) bemächtigt haben. Der hiesige Handelsplatz gefällt Linhart wegen seiner Größe. Nach einem anderen Faktor hat er sich zwar umgetan, fürchtet aber, keinen tauglichen zu bekommen: ein tayl sein frum und schlofet (= schlafend), und die Geschickten wollen das pest für sich nemen. Am besten bringt man einen Jungen hierher, der das ganze Jahr über hierbleibt, und auch die beiden Frankfurter Messen von hier aus betreut. Das Pferd des Linhart erkrankte vor 13 Tagen und starb am vergangenen Mittwoch. Er muss sich demnach ein anderes besorgen. Die Heimreise hängt auch davon ab, ob er Reisegefährten findet. Hans Plaicher wäre wohl zu akzeptieren, aber er kennt die Straßen nicht so genau. Der Hof Hans wäre der Richtige, wird aber wohl nicht hierher (= nach Antwerpen) kommen.

2 Kommentare

  1. Malachy McCauley 6 Juli, 2021 at 07:59 Antworten

    Vielen Dank für das Teilen der Fotos, die den “Goldener Schwan” am Theresienplatz zeigen. Ich habe kürzlich entdeckt, dass meine Vorfahren dieses gediegene Etablissement als “Umschlag- und Sammelstelle” für Waren und Nachrichten nutzten. Die Hochzeitsfeier meines Ur-Ur-Großvaters fand dort 1832 statt.

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