Der Nachlass eines Augenarztes aus dem Brandnertal (Vorarlberg, Österreich) von 1533

Am 28. März 1533 waren der Walseramtmann Hans Purtscher von Sonntag (Großes Walsertal) und Claus Müller von Bürs (Brandnertal) in der Reichsstadt Nürnberg. Sie regelten im Auftrag der Erben von Meister Peter Lorenz, einem Augenarzt der offenbar selbst aus Bürs stammte, dessen Nachlass. Ausgewiesen hatten sie sich mit einer Urkunde (Gewaltbrief), die mit dem Siegeln von Hans Löw und Hans Amman, Richtern zu Sonnenberg, beglaubigt war. Bürs, heute noch eine selbständige Gemeinde westlich von Bludenz am Eingang zum Brandnertal, ist bereits 820/823 erstmals als Teil des Bistums Chur erwähnt und gehörte seit 1394 zur Landesherrschaft der Habsburger, organisiert in den sogenannten Vorlanden bzw. Vorderösterreich.

StadtAN A 7/I Nr. 984

Stadt- und Augenarzt Johann Georg Günter (1607-1675, StadtAN A 7/I Nr. 984)

Der Augenarzt Peter Lorenz hatte sich wohl zumindest im Jahr 1532 in Nürnberg aufgehalten und hier auf der Lorenzer Stadtseite im Wirtshaus ‚Zum Goldenen Rädlein‘ logiert – heute Teil von Karolinenstr. 45 ist das ‚Rädlein‘ bereits im 19. Jahrhundert im Neubau des damaligen Gasthofs Strauß aufgegangen. Von hier aus war Peter Lorenz – offenbar nur mit leichtem Reisegepäck ausgestattet – in die Reichsstadt Augsburg aufgebrochen. Leider kennen wir nicht das genaue Datum seiner Abreise. In Augsburg, wo Lorenz wahrscheinlich einen Patienten aufsuchte, war der Augenarzt dann überraschend verstorben.

Im Wirtshaus ‚Zum Goldenen Rädlein‘ hatte Peter Lorenz den überwiegenden Teil seines mobilen Nachlasses in drei Truhen gelagert. Die Wirtin, die Witwe Kunigunde Krafft, hatte ihn entsprechend aufbewahrt und inventarisieren lassen. Die eingangs genannten Hans Purtscher und Claus Müller übernahmen nun am 28. März 1533 die drei Truhen mitsamt dem Inhalt, um ihn den Erbberechtigten in Vorarlberg zu übergeben. Ohne dass die Verwandtschaft spezifiziert wird, könnte es sich um die drei Geschwister von Peter Lorenz handeln, zwei Schwestern und einen Bruder: Das Ehepaar Martin und Margretha zur Luotz [oder Luoth] in Marul hinter Raggal in der Herrschaft Blumenegg (Großes Walsertal), die Eheleute Hans und Otilia Hartman in Bürs sowie die Kinder Rudolf und Lorenz des verstorbenen Hans Lorenz in Bürs.

Der Inhalt von zwei sogenannten Fußtruhen und einer großen Truhe bestand aus Briefen/Urkunden, Kleidung, Waffen, Flaschen, Arzneimitteln – darunter Augenpulver, Lerngläser, Salben –, einem handgeschriebenen Buch, Paternostern, diversen Wertgegenständen wie silbervergoldeten Bisamknöpfen und Schmuck sowie weit über 100 fl. an Bargeld in unterschiedlichsten Geldsorten wie Innsbrucker Knacken, ungarische Gulden, Schreckenberger, Joachimstaler, Innsbrucker und böhmische Gulden etc. Bei dem Inventar eines Augenarztes von 1533 kann man sicher von einem weiteren Forschungsinteresse ausgehen, daher ist es hier auch in Reproduktion gebracht. Vielleicht lässt sich mit Peter Lorenz sogar eine interessante Gestalt für die Medizingeschichte entdecken.

Eintrag des Nachlassinventars im Stadtgerichtsbuch von 1533 (StadtAN B 14/II Nr. 35 Bl. 52r -53v)

Eintrag des Nachlassinventars im Stadtgerichtsbuch von 1533 (StadtAN B 14/II Nr. 35 Bl. 52r -53v)

 

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