Es gibt wohl nur wenige PEGNITZER Einwohner, die in der Gedenkstätte YAD VASHEM, der „Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust“ als 'GERECHTER UNTER DEN NATIONEN' geehrt wurden. Aller Wahrscheinlichkeit nach gab es auch nur einen einzigen. Sein Name ist JOHANN KARL NÜRNBERGER.
Johann Karl Nürnberger wurde am 24. November 1902 in Brand, Landkreis Wunsiedel, geboren. In den 1920er Jahren lebte er in Pegnitz. Er war selbständiger Kaufmann und im Pegnitzer Gewerberegister von 1926 als Delikatessenhändler („Händler für Allgäuer Käse und Butter“) eingetragen. Wir wissen auch, dass er sich im Mai 1927 um die Errichtung eines Verkaufsstandes auf dem Schloßberg bewarb (das Vorhaben wurde aber von der Stadt abgelehnt). Er wollte dort u.a. auch Südfrüchte anbieten. Bereits am 1. April 1927, hatte Karl Nürnberger in Pegnitz die ledige Filialleiterin Karolina Frieda Lechner geheiratet, die am 31. Juli 1901 in Nürnberg geboren wurde. Trauzeugen waren sein Bruder, der Kaufmann Hans Nürnberger, und der spätere Pegnitzer Bürgermeister und damalige Stadtsekretär Christian Sammet. Schon nach gerade mal zwei Jahren, am 29. April 1929, wurde die Ehe wieder geschieden.
Ende der 1920er Jahre zog er in die Slowakei und ließ sich in Kežmarok am Fuße der Hohen Tatra nieder - ein Gebiet mit einer großen deutschen Minderheit. Dort lernte Nürnberger das jüdisches Mädchen Paula Grossberg kennen und das junge Paar heiratete bald.
Als die Deportationen der Juden aus der Slowakei begannen, war Paula Nürnberger wegen ihrer Heirat mit einem deutschen Nichtjuden geschützt; aber ihre Schwestern, Terese und Margit, wurden auf den ersten slowakischen Transport nach Auschwitz geschickt. Ihre Mutter wurde verhaftet und in das Lager in Žilina gebracht, von dem die Deportationen das Lager Richtung Auschwitz verließen.
Als er von der Verhaftung seiner Schwiegermutter hörte, gelang es Nürnberger, ihre Freilassung zu erreichen. Aus Angst, dass ihm auch seine Ehefrau genommen würde, riet er ihr, sich zum Christentum zu bekennen und sich als Mitglied der evangelischen Kirche registrieren zu lassen.
1943 flohen Hunderte von Juden aus Polen nach Ungarn, was damals als relativ sicher angesehen wurde. Ihr Fluchtweg ging durch Kežmarok, und das Haus der Nürnbergers wurde zu einer Zufluchtsstätte für die fliehenden Juden, die dort bleiben und sich ausruhen konnten, bevor sie ihre Reise wiederaufnahmen. Eines Tages brachte eine Gruppe von Flüchtlingen ein 9 Monate altes Baby mit. Die Nürnbergers stellten das Baby in die Obhut einer anderen Familie, bis dessen Eltern ankommen würden. Als die Nachricht zu ihnen kam, dass die Eltern des Babys gefangen und getötet wurden, nahm Johann Karl Nürnberger das Baby, Peter, an sich und zusammen mit Paula hielten sie den Kleinen bis zum Ende des Krieges sicher versteckt. Im Jahr 1944 baute Nürnberger während des slowakischen Aufstandes einen Bunker außerhalb von Kežmarok, der zu einem Versteck für die flüchtenden Juden und die anderen Flüchtlinge wurde.
Nach der Befreiung fand Peter's Onkel die Nürnbergers und bat darum, das Kind mitzunehmen. Karl und Paula Nürnberger wollten sich aber nicht von Peter trennen und schlugen vor, daß der örtliche Rabbi in der Sache entscheiden sollte. Der Rabbi entschied, dass das Kind bei der Familie bleiben sollte, die ihn aufgezogen hat. Nach der Entscheidung des Rabbi wurde Peter offiziell von Johann Karl und Paula (die zum Judentum zurückgekehrt war) adoptiert. Johann Karl Nürnberger starb 1958. Paula starb 1964 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Kežmarok begraben.
Am 21. August 2014 wurde Johann Karl Nürnberger, der in den 1920er Jahren als Kaufmann in Pegnitz gelebt hatte, posthum als Gerechter unter den Nationen in Yad Vashem geehrt. Die Medaille und Ehrenurkunde wurde von dem Holocaust-Überlebenden Peter Nürnberger entgegengenommen, der auch der Gerechte "Adoptivsohn" ist und extra für die Veranstaltung aus der Slowakei angereist kam. Die Veranstaltung fand in Anwesenheit des Botschafters der Slowakei und eines Vertreters der deutschen Botschaft statt. Auch Familie und Freunde der „biologischen“ Familie Peter Nürnbergers waren anwesend.
Peter Nürnberger über seinen Ziehvater Johann Karl Nürnberger:
"Je mehr ich die Geschichte meines Vaters erforschte, desto mehr denke ich, warum er es getan hat. Die einzige Schlussfolgerung, die ich habe, ist, dass er den Krieg und die Verfolgung der Juden als eine große Ungerechtigkeit betrachtete und glaubte, dass er das Richtige tat. Solche Geschichten wie die von meinem Vater sind wichtig, da sie zeigen, dass es immer möglich ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. "
Präsentiert wird die Lebensgeschichte von Johann Karl Nürnberger in der Ausstellung „Auf den Spuren der Pegnitzer Geschichte der vergangenen 900 Jahre“, die nochmal verlängert wurde und jetzt bis zum 15. November 2019 im Bürgerzentrum Pegnitz zu sehen ist.