Ausstellung: „Die brennendste aller sozialen Fragen“. Kommunale Wohnungspolitik zwischen 1918 und 1954 in München, Nürnberg und Erlangen

Steigende Mieten, fehlender bezahlbarer Wohnraum und ein allgemeiner Wohnungsmangel – diese Problematik begegnet uns heute fast täglich.

„Die Wohnungsfrage ist die brennendste aller sozialen Fragen“

Karl Sebastian Preis, 1927

„Die Wohnungsfrage ist die brennendste aller sozialen Fragen“, erklärte der Münchner Wohnungsreferent Karl Sebastian Preis im Jahr 1927. Seine Feststellung ist nun auch knapp 100 Jahre später immer noch hochaktuell. Grund genug, einen Blick in die Geschichte zu wagen und zu untersuchen, wie bayerische Städte damals mit der Herausforderung Wohnungsnot umgingen. 

Diesem brisanten Thema widmet sich eine Ausstellung, die noch bis zum 8. März 2024 im kleinen Foyer des Stadtarchivs Nürnberg gezeigt wird.

Dabei wird kommunale Wohnungspolitik in den drei prägenden Epochen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit am Beispiel je einer Stadt beleuchtet.

Als bevölkerungsreichste Stadt und Landeshauptstadt rückt zunächst München in den Fokus. In der einst beschaulichen Residenzstadt hatte sich die Einwohnerzahl seit den 1870er Jahren bis zum Ende des Ersten Weltkrieg mehr als verdreifacht. Der mit dieser Entwicklung ohnehin überforderte Wohnungsmarkt stand nach kriegsbedingtem Baustillstand, rückkehrenden Soldaten und eintreffenden Kriegsflüchtlingen nun erst Recht vor dem Kollaps. Notmaßnahmen der Stadtverwaltung brachten keine dauerhafte Entspannung, weshalb die Kommune selbst handeln musste, in großem Stil soziale Wohnungsbauprojekte förderte und schließlich auch als Bauherrin aktiv wurde.

NS-Arbeitersiedlung am Nürnberger Südfriedhof (Worzeldorfer Straße), 1939 (Stadtarchiv Nürnberg A 38, H 86-7)

In Nürnberg griff die nationalsozialistische Stadtverwaltung nach 1933 vielfach bereits in der Weimarer Republik entwickelte Siedlungsbauprojekte auf, die gemäß der NS-Ideologie „Blut und Boden“ angepasst wurden. Großangelegte und entsprechend propagandistisch begleitete Siedlungsbauprojekte in vorstädtischer Randlage sollten systemkonformen, teils auf Arbeitslosenunterstützung angewiesenen, aber auch erwerbstätigen Familien ein Eigenheim mit Garten zur Selbstversorgung verschaffen. Bei der strengen Auslese der potentiellen Siedler legte das NS-Regime Wert darauf, dass diese „zu gesunden und wertvollen Volksgenossen“ zählten, politische Zuverlässigkeit bewiesen und sich idealerweise „als Wegbereiter des nationalsozialistischen Staates bewährt“ hatten.[1]

Überprüfung der Siedler der Siemens-Siedlung durch die Gestapo, 5. April 1943 (Stadtarchiv Nürnberg, C7/I Nr. 8931)

Während erste Fortschritte im Wesentlichen noch auf Planungen aus der Weimarer Zeit zurückzuführen waren, konnte der nationalsozialistische Siedlungsbau kaum zu einer Linderung der Wohnungsnot in Nürnberg beitragen. Fehlendes Bauland und der hohe Flächenverbrauch sorgten bereits ab 1936 für eine Rückkehr zum Bau von Mietshäusern.

Präsentation der Nürnberger NS-Arbeitersiedlungen, 1934 (Stadtarchiv Nürnberg A 38 Nr. A38-F-20-4)

Obwohl die Einwohnerzahlen der Stadt Erlangen am Ende des Zweiten Weltkriegs kaum mit Nürnberg oder München vergleichbar sind, sah sich auch Erlangen in der Nachkriegszeit mit einem erheblichen Wohnungsmangel konfrontiert. Die dauerhafte Stationierung amerikanischer Truppen, die hohen Zuzugsraten deutscher Flüchtlinge aus Mittel- und Osteuropa aufgrund der weitgehend unzerstörten Bausubstanz sowie die Verlegung der Siemens-Schuckert-Werke aus Berlin nach Erlangen sorgten für eine erhebliche Verschärfung auf dem Wohnungsmarkt. Abhilfe schafften sowohl private wie öffentliche Initiativen. Die Siemens-Wohngesellschaft errichtete für ihre Mitarbeiter ein ganzes Stadtviertel, während die vom Erlanger Oberbürgermeister Michael Poeschke 1948 initiierte „Sparaktion Sozialer Wohnungsbau“ in die „Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft“ GeWoBau mündete und ähnliche Erfolge erzielte.

Die Ausstellung wurde ursprünglich 2020 von Dr. Andreas Schenker, Dr. Thomas Gilgert und Dr. Johannes Hasselbeck im Rahmen ihres Referendariats an der Bayerischen Archivschule als Lehrausstellung konzipiert und gezeigt und ist nun in leicht überarbeiteter Form noch bis zum 8. März 2024 im kleinen Foyer des Stadtarchivs Nürnberg zu sehen. Der Eintritt ist frei.


[1] Acht-Uhr-Blatt (3.12.1933), Pressedokumentation, Stadtarchiv Nürnberg, C 29 Nr.

2534.

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