Georg Reissmann ( 1820 - 1901) - ein findiger Geschäftsmann aus Lauf a.d. Pegnitz

Oberes Tor, Lauf a.d. Pegnitz

Das Obere Tor mit Zollhaus in Lauf a.d. Pegnitz

Eine vielleicht nur kleine Fußnote der großen Geschichtsschreibung, den meisten gerade deshalb wahrscheinlich gänzlich unbekannt, ist eine Erfindung, die auch in Lauf ihre Wurzeln hat.

Jeder kennt ihn und jeder nutzt ihn, mit Sicherheit sogar regelmäßig: den Flaschenkorkenzieher! Auch wenn die Flaschenkorken aus echtem Kork immer rarer werden, kann man auch die aus Plastik gefertigten Flaschenverschlüsse mühelos mit dem „Korkenzieher“ entfernen.

Eng verbunden ist diese Erfindung aus dem Bereich der „Kleineisenwaren“ mit einem Sohn der Stadt Lauf, dem am 12. August 1820 in Lauf, im Oberen Torturm (Hersbrucker Tor) geborenen und am 22. August in der St. Johanniskirche getauften Johann Georg Reißmann.

Reißmanns Vater, der Uhrmachermeister Johann Jakob Reißmann war in Fürth geboren worden und 1805/6 nach Lauf gekommen. Warum wissen wir nicht. Zunächst lebte er als „Schutzverwandter“ in der Stadt. Das war ein Rechtsbegriff aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit und bezeichnete Einwohner, die mit der politischen Gemeinschaft der Stadt verbunden waren und ihren Schutz genossen, ohne ihr jedoch anzugehören. Als er 1808 die ebenfalls aus Fürth stammende Elisabeth Margaretha Walterstrang heiratete erhielt er das Laufer Bürgerrecht. Nach der Geburt einer Tochter, verstarb Reißmanns erste Frau bereits 1811. 1812 heiratet der Uhrmacher daraufhin ein zweites Mal. Die aus Röthenbach stammende Maria Huber sollte sechs Kinder zur Welt bringen. Johann Georg war das vierte Kind dieser Ehe, das in der Wohnung des Oberen Torturms zur Welt kam, den die Eltern kurz zuvor von der Stadt angekauft hatten. Die Unterlagen der Volksschule Lauf beinhalten Reißmanns Schulabschluss für den 7. April 1831 und bestätigen ihn als einen der besten Schüler seines Jahrgangs. In allen damals benoteten Fächern schloss er mit „sehr gut“ ab. Besonders hervorgehoben wurden außerdem sein sittliches Betragen und sein Fleiß.

Auf den 16. Dezember 1851 datiert die Auswanderungsurkunde nach Zella, dem heutigen Zella-Mehlis in Thüringen, das seit dem 14. Jahrhundert für seinen Eisenerzabbau und die Herstellung „Schmalkalder Artikel“ – Produkten aus Stahl – berühmt war. Seine Bekanntschaft mit dem berühmten Spezialisten der Metallbearbeitung und Maschinenbauer Heinrich Erhardt, der ebenfalls aus Zella-Mehlis stammte und dort später eine Metall- und Waffenfabrik, die Eberhardt- Automobil AG und die Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik in Düsseldorf gründen sollte, wird Reißmann zu diesem Ortswechsel veranlasst haben. Erhardt war ein Tüftler und Erfinder. Über 120 Patente wurden von ihm im Deutschen Reich registriert, die in der Hauptsache mit der Metallverarbeitung und oder der Waffentechnik zu tun haben. Darunter das Erhardt‘sche Press- und Ziehverfahren zur Herstellung von nahtlosen Metallrohren, das heute noch bekannte Rohrrücklaufgeschütz. Bei dieser Waffe war die Kanone nicht mehr mit der Lafette verbunden, so dass beim Abfeuern kein Rückstoß mehr erfolgte und das Rückfahren des Geschützes nicht mehr nötig war. Auch die Gebirgskanone geht auf Heinrich Erhardt zurück.

Während all diese Erfindungen der Rüstungsindustrie dienten, gelang ihm 1867 die weniger spektakuläre, aber umso nützlichere Erfindung des Glockenkorkenziehers. Bereits im 18. Jahrhundert wurden zwar schon sogenannte „Krätzer“ – das sind die Korkenzieherspiralen – in der Thüringer Bergbau-Region gefertigt. Sie waren zunächst ein Nebenprodukt der „Gewehrkrätzer“: Metall-Spiralen, mit Hilfe derer man nicht aktivierte Geschosse aus den Läufen der Vorderladerwaffen entfernen konnte. Aber die Erfindung des sogenannten „Damenkorkenziehers“, der mit wenig Körperkraft eingesetzt werden konnte, war dann doch eine ganz neue Weiterentwicklung dieses Produkts.

Georg Reißmann, unser findiger Laufer, hatte zu diesem Zeitpunkt in diesem Thüringer Umfeld bereits ein Großhandelsunternehmen für Eisenwaren gegründet. In einem seiner Musterbücher von 1857 sind auch bereits die einfach gestalteten Korkenzieherspiralen abgebildet. Nun kaufte er Erhardt im Jahr 1867 dessen Erfindung für einen geringen Betrag ab und ließ sie sich durch das 1877 gegründete Patentamt auf seinen Namen patentieren. Als „Reißmann-Korkenzieher“ fand sie ihren Weg in die ganze Welt. Bis in die 1930er Jahre wurden in Zella-Mehlis noch 250 verschiedene Sorten von Korkenziehern hergestellt. Allein innerhalb von 10 Jahren wurden 480.000 Korkenzieher gefertigt.

Glockenkorkenzieher des 19. Jh.

Ein besonders prächtig gestaltetes Exemplar eines Glockenkorkenziehers, 2. Hälfte 19. Jh.

Er arbeitet nach dem Prinzip der doppelten Spindel. Die innere Spindel wird ganz herausgezogen und der Griff nach rechts gedreht: Die innere Spindel dreht sich dann in den Korken und zieht ihn aus dem Flaschenhals. Dreht man den Griff dann nach links, dreht sich die innere Spindel aus dem Korken heraus und drückt den Korken aus der Glocke des Korkenziehers.

Noch heute wird der Glockenkorkenzieher nach dem gleichen Funktionsprinzip gefertigt, wie das Heimatmuseum Zella-Mehlis anlässlich einer Sonderausstellung zur Korkenzieher-Fertigung bestätigte.

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