Gastbeitrag von Christian Mössner, Rot-Schwarzes Quartier e.V.
Fußball im Dienst der Völkerverständigung
Es war Anfang Mai 1953, als der 1.FC Nürnberg für rund drei Wochen sprichwörtlich Neuland betrat. Als einer der ersten deutschen Vereine wurde der Club nach Amerika eingeladen. Im Anschluss an die reguläre Oberliga-Saison, in welcher der Club 1952/53 mit einem für damalige Verhältnisse schlechten achten Platz die Süd-Staffel beendete, nahm der Verein gerne die Einladung des Deutsch-Amerikanischen Fußballbundes an. Maßgeblich gefördert wurden die Stippvisiten deutscher Mannschaften in Amerika von August Steuer. Der aus Unterfranken stammende Verleger war in den 1920er Jahren nach Amerika ausgewandert. Schnell wurde er Teil des Vorstands des Deutsch-Amerikanischen Fußballbundes und bekam für seine Verdienste um die Völkerverständigung unter anderem auch das Bundesverdienstkreuz. Völkerverständigung, vor allem darum ging es bei der Reise des Clubs nach Amerika. Sport als verbindendes Element, mit dem Ziel, den Deutschen wieder den Zugang zu den demokratischen Völkern zu erleichtern und bei den ausgewanderten Deutsch-Amerikanern Identifikation und Vertrauen bezüglich der alten Heimat zu stärken.
Abenteuerliche Reise
Allein die Anreise, via Flug mit Zwischenlandungen, war für die Nürnberger Delegation ein Abenteuer. Gemäß Überlieferungen gab es immer wieder Turbulenzen, welche bei den Passagieren eine gewisse Unruhe auslöste. Zur Beruhigung wurde Schach, Schafkopf und Skat gespielt. Außerdem sollte der Genuss von Alkohol zur Beruhigung beitragen. Wann immer es etwas zu sehen gab, schauten die Nürnberger aus den Fenstern und wechselten sich bezüglich der Fensterplätze im Flugzeug auch ab. Letztendlich erreichte die 20-köpfige Nürnberger Abordnung mit einer Stunde Verspätung den New Yorker Flughafen Idlewild. Unter Ihnen waren neben dem Vereinsvorstand Franz, dem Schatzmeister Winkler, dem Trainer Kugler, samt 16 Spielern, auch der Alt-Internationale Torwart Heiner Stuhlfauth. Es war den amerikanischen Gastgebern wichtig, dass Heiner Stuhlfauth als Vertreter der aus Club-Sicht goldenen 20er Jahre, mit insgesamt fünf deutschen Meistertiteln, Teil der Nürnberger Gäste war. Der heute weitgehend unbekannte Flughafen-Name Idlewild war damals allen bekannt, handelt es sich doch um den ursprünglichen Namen des heutigen John F. Kennedy Flughafens.

Spiele und Spektakel
Das erste Spiel auf amerikanischen Boden gewann der 1.FC Nürnberg mit 9:1 gegen eine Auswahl des Deutsch-Amerikanischen Fußballbundes. Vor über 22.000 Zuschauern glänzte die Nürnberger Mannschaft im New Yorker Stadion Randalls Island. Die Zeitungen berichteten von einem vorbildlichen Positionsspiel, haarscharfen Ballabgaben und unheimlichen Schussvermögen. Im Vergleich mit dem Ligaalltag in Deutschland inszenierten die Amerikaner schon damals geschickt und treffsicher solche Sportveranstaltungen. Unter anderem gab es Begrüßungsreden vor dem Spiel, einen Einlauf der Mannschaften mit Fahnen und entsprechender Musik. Dies alles kannten die Nürnberger bis dato in dieser Form nicht.

Überhaupt beeindruckte Amerika und vor allem New York vollends. Hochhäuser, Supermärkte, die schlichte Masse und Größe der Autos auf den Straßen – alles war sozusagen ein Superlativ. Rückblickend kann man sagen, dass diese Reise bei den Spielern bleibende und positive Eindrücke hinterlassen hat. Auch Spieler wie Max Morlock, der als Deutscher Meister und Weltmeister im Verlauf seiner Karriere viele Erfahrungen auf der Welt gemacht hat, war von Amerika beeindruckt. Rückblickend wirkt es so, als hatten die Nürnberger eine fantastische Zeit in Amerika. Sportlich konnten ihnen die amerikanischen Mannschaften nicht im Ansatz das Wasser reichen. Hohe Ergebnisse wie 12:1 oder 8:3 unterstrichen die Dominanz. Zwischen den Spielen blieb viel Zeit für touristische Ausflüge. Unter anderem wurden die Niagara Fälle und das Empire State Building besucht. Außerdem nutzen die Spieler die Einkaufmöglichkeiten. Egal ob für sich selbst, oder als Mitbringsel für die Liebsten Zuhause. Amerika bot hier neue Möglichkeiten. Beispielsweise trugen die Spieler bei Ihrer Rückkehr nach Franken breitrandige Cowboy-Hüte am Flughafen.

Wo auch immer die Nürnberger Delegation auftauchte, wurde sie gefeiert und eingeladen. Egal ob bei verschiedenen Festbanketten oder zum Beispiel bei einer Brauerei-Besichtigung, die Nürnberger waren gesellig und zu Späßen aufgelegt. Trainer Kugler blieb das nicht verborgen und so mahnte er sogar zu mehr „Ernährungsdisziplin“. Alfred Mirsberger bestätigte in einem Interview 2015 die Tatsache, dass der Club ständig zum Essen eingeladen wurde. Von ihm weiß man auch, dass ein paar Spieler Vereinsabzeichen dabei hatten, welche sie hier und da gegen Dollar verkauften. Als Erinnerung für die an Fußball und dem 1.FC Nürnberg interessierten Amerikaner.

Wiedersehen mit einem alten Bekannten
Die Delegation aus Nürnberg logierte im feinen New Yorker Croydon Hotel. Während eines Abendessens im Hotel besuchte Jenö Konrad die Mannschaft und die offiziellen Vertreter. Jenö Konrad trainierte zwischen 1930 und 1932 den 1.FC Nürnberg. Der beliebte Trainer verließ Nürnberg aufgrund diffamierender Hetze seitens des nationalsozialistischen Hetzblattes „Der Stürmer“. Im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft unterlag der Club damals 0:2 gegen Bayern München. Diese „Schmach“ war die Grundlage für die Hetze gegen Jenö Konrad. Von verschiedenen Seiten wurde Konrad gebeten, seinen Verein nicht zu verlassen. Der Trainer hatte aber offensichtlich ein gutes Gespür für die sich anbahnende menschenverachtende Lage in Deutschland und flüchtete. Dass er mit dem 1.FC Nürnberg nie gebrochen hatte, zeigt auch sein Besuch im Croydon 1953. Jenö Konrad lebte ab 1940 in New York.
Ein voller Erfolg
Insgesamt absolvierte der Club sechs Spiele in Amerika. Fünf davon gewann der Club deutlich gegen amerikanische Mannschaften. Vier Spiele fanden in New York statt, jeweils eines in Buffalo und Milwaukee. Ein Spiel wurde verloren. Mit 3:4 unterlag der 1.FC Nürnberg im Triborough Stadium von New York dem Liverpool Football Club. Online findet man die Zuschauerzahl von 23.562. Die Zugangsstraßen zum Stadion mussten gesperrt werden, weil es weitläufig um das Stadion keine Parkplätze mehr gab. Die Überwiegende Mehrheit der Zuschauer kam, um den Club aus Nürnberg zu sehen beziehungsweise zu unterstützen. Insgesamt wurde der Nürnberger Mannschaft allenthalben die beste sportliche Darbietung aller bisherigen Deutschen Mannschaften in den Vereinigten Staaten bestätigt.

Der Abschied fiel beiderseitig nicht leicht. Nürnberg hatte alle Erwartungen übertroffen und damit ist nicht die sportliche Komponente gemeint. Als Gastgeber ging es dem Deutsch-Amerikanische Fußballbund nicht um Tore. Gemäß dem Motto: „Wir wollen nicht die Tore, sondern die Freunde zählen“ bescheinigte man den Menschen der Nürnberger Delegation charakterliche Stärke. Der zu Beginn erwähne August Steuer schrieb: „Sie waren, was wir in der Welt heute so notwendig brauchen, die wahren Botschafter des guten Willens“ und weiter „Ihr seid heute die erfolgreichsten Diplomaten des neuen Deutschlands. Wir wollen und wir müssen Euch wiedersehen.“.
So ist es dann auch gekommen. Schon 1955 besuchte der 1.FC Nürnberg Amerika wieder.
Zur USA-Reise 1953 entstand ein sehenswerter Kurzfilm in Zusammenarbeit von Bernd Siegler, Alex Diezinger und Christian Mössner: