1945 - Pegnitzer Weltkriegs-Tagebuchaufzeichnungen liefern auch Informationen zu Bombenangriffen auf Nürnberg und Dresden

Fliegerangriffe und Einnahme von Pegnitz im April 1945

Am 14. April 1945 nachmittags erreichten Einheiten der US-Armee die Stadt Pegnitz. Mit Spähwagen und Panzern rückten sie in die Stadt ein. Da passt es doch genau, dass zu Beginn des Jahres 2020 das Geschäftstagebuch des damaligen Stadtoberinspektors und Kämmerers der Stadt Pegnitz Adolf Vogel aus dem Jahr 1945 wiederentdeckt wurde. Ein Originaldokument allererster Güte. Im Folgenden sehen Sie die wichtigsten Einträge in der Zeit vom 2. Januar bis 26. April 1945, dann endet das Tagebuch abrupt - vorläufig zumindest.

Geschäftstage-buch von 1945

Eine gute Woche bevor die Stadt von US-amerikanischen Truppen eingenommen wurde, hatten bereits Tieffliegerverbände die Stadt heimgesucht. Bei diesem Angriff am 4. April kam es nur zu Gebäudeschäden.

Vormarsch der 71. US-amerikanischen Infantery Division vom Westen aus - Karte im Stadtarchiv Pegnitz (digital)

„Mittwoch, 4. April:

Angriff von Tieffliegern auf Pegnitz - Erste Bombe 18.00 Uhr hinterm 'Weißen Roß', zwei weitere Bomben zwischen Trautner und Bernet am Wiesweiherweg, weitere 5 Bomben Kraftfahrrad Fuchs/Heinrich-Bauer-Straße - Hauptschäden: Haus Fuchs und Werkstätten zusammen: geschätzt sämtliche Kraftwagen zerstört - Brände bei Bernet/Nürnberger Str. 1, Margarete Gentner/Heinrich-Bauer-Str. 6 und Scheune Wild bzw. Weih/Heinrich-Bauer-Str. - größere Schäden: Hinterhaus August Ponfick und Heinrich Bauer/Hindenburgstraße, Frauenknecht, Gentner, Hauer/Heinrich-Bauer-Straße, Grete Trautner, Fritz Trautner, Hans Fuchs, Kirschner, Vogt/Nürnberger Straße, Elise Bauer und Ortskrankenkasse/Am Schloßberg, Milchhaus Mäckl am Bahnhof sowie zahlreiche andere Gebäude durch Fenster- und Dachschaden - Gesamtschaden ca. 900.000 Reichsmark (RM)“

Beim Tieffliegerangriff auf den Zug Michelfeld-Pegnitz bei Hammerbühl einen Tag zuvor waren 9 Todesopfer zu beklagen (Jahre später wurde die Zahl auf 8 Todesopfer korrigiert).

„Dienstag, 3. April 1945: Alarm - 18.00 Uhr Tieffliegerangriff auf Zug Michelfeld-Pegnitz bei Hammerbühl, 9 Tote und ca. 50 Verletzte"

Amtliches Schreiben zu den 8 getöteten Personen beim Tieffliegerangriff am 3. April 1945 - Stadtarchiv Pegnitz
Tagebuchaufzeichnung vom 14. April 1945

"Samstag, 14. April: 17.00 Uhr fahren amerikanische Spähwagen und Panzer von der Nürnberger Straße herein und nehmen am unteren Marktplatz zahlreiche deutsche Soldaten - fast alle ohne Bewaffnung - gefangen"

"Sonntag, 15. April: Nachmittags gegen 14.00 Uhr fährt ein deutscher Spähwagen durch die Stadt und nimmt am Stadtbad einen amerikanischen Spähwagen mit Besatzung gefangen. In der Nacht auf Montag erfolgt ein deutscher Panzerfaust-Angriff auf das Rathaus, das im oberen Teil beschädigt wird. In der Umgebung im Laufe des Sonntags Artillerietätigkeit und Fliegertätigkeit"

"Dienstag, 17. April: Waffenablieferung durch die Bevölkerung - Ausgehzeit beschränkt auf 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr und 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr"

Tagebuchaufzeichnung vom 15. April 1945

Der Pegnitzer NS-Bürgermeister Wilhelm Remmel wird verhaftet. Mit den "nicht belasteten Politikern" Ernst Mellinghoff und Andreas Gentner wird von Seiten der Amerikaner eine erste Fühlungnahme aufgenommen. Für die Einwohnerschaft werden im Rathaus unter Anwesenheit eines Dolmetschers Sprechstunden abgehalten. In der Stadt kommt es zu Plünderungen.

"Plündereien in der Stadt, hauptsächlich der Geschäfte Nikolaus Pflaum, Konrad Wiesend, Hans Schwarz, Güttinger, Schuh Körber, durch KZ'ler und Ausländer - Pegnitzer schlossen sich an"

Amerikanische Truppen quartieren sich in der Stadt ein. Zu den ersten Maßnahmen der amerikanischen Militärregierung gehören die Milderung der Sperrzeit für Landwirte, die Schaffung eines Ordnungsdienstes, die Sicherung der Lebensmittelversorgung und die Erfassung der Wehrmachtsgüter. Am 26. April 1945 schließlich wird Hans Gentner als erster Nachkriegsbürgermeister in Pegnitz eingesetzt.

Tagebuchaufzeichnung vom 26. April 1945
Der Pegnitzer Bürgermeister Hans Gentner (Bürgermeister vom 26. April 1945 bis 1. Februar 1946, vorher bereits von 1924 bis 1933) - Foto: Stadtarchiv Pegnitz
Zeichen des 'Military Government Pegnitz, Germany' - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Das Ende des Krieges und das Einrücken der Amerikaner dürfte auch in Pegnitz als Befreiung vom NS-Regime angesehen werden, auch wenn danach sicher keine einfache Zeit folgte.

Bombenangriffe auf Nürnberg im Januar und Februar 1945

Doch schon bevor das Tagebuch die Einnahme der Stadt Pegnitz durch US-amerikanische Einheiten schildert, gibt es interessante Einblicke in das allgemeine Kriegsgeschehen zu Beginn des Jahres 1945.

Am 2. Januar 1945 schreibt Adolf Vogel in sein Tagebuch:

"Abends 19.10 Uhr - schwerer Terrorangriff englischer Bomber auf Nürnberg, nahezu die ganze Stadt zerstört"

Beispielbild: Alliierte Jagdbomberverbände

Am 13. Januar 1945 notiert er:

"Beginn der großen Winteroffensive der Bolschewisten"

Dann wechselt er wieder zum Kriegsgeschehen in die oberfränkische Stadt. Am Dienstag, den 15. Januar 1945 schreibt er.

"11.30 Uhr Fliegeralarm - 12.00 Uhr feindliche Jäger kreisen über dem Buchauer Berg bei hellem Sonnenschein. Tiefangriff auf Autobahn bei Trockau, wo ein Kraftfahrer erschossen wurde - desgleichen bei Ranna, wo eine Lokomotive beschädigt und ein Stadel in Brand geschossen wurde."

Wiederum am 16. Januar:

"12.00 Uhr mittag Fliegeralarm, feindliche Flieger von Nord nach Süd über unserer Stadt - 21.30 Uhr Fliegeralarm, feindliche Flieger von Süd nach Nord über unserer Stadt"

Am Dienstag, den 30. Januar 1945 hält er fest:

"22.15 Uhr - Ansprache des Führers an das deutsche Volk"

Am 8. Februar 1945 - noch einige Wochen vor der Einnahme von Pegnitz - kommt es zu ersten Bombenabwürfen im Stadtgebiet:

"11.45 Uhr Öffentl. Luftwarnung - 22.30 Uhr Öffentl. Luftwarnung, Bombenabwurf am Ende der Hoffmann'schen Gärtnerei links des Mühlweges - Erster Bombenabwurf im Pegnitzer Stadtgebiet - 4 Bomben, davon 3 Blindgänger: 1 Blindgänger am Kellerberg, rückwärts 'Kleiner Johannes' Wohngebäude/1 Blindgänger am Katzerstein, 1 Blindgänger in der Siedlung zwischen Kamerun- und Nachtigalstraße

Gärtnerei Hoffmann im Jahr 1958 - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

Am Dienstag, den 20. Februar 1945 früh um 3.31 Uhr erfolgt schließlich ein weiterer schwerer Luftangriff auf Nürnberg:

3.31 Uhr Fliegeralarm - 11.00 Uhr Fliegeralarm - wieder schwerer Angriff auf Nürnberg - Frau Mösinger (Rosengasse 10) im Zug Würzburg-Nürnberg bei Emskirchen … getötet

Bombardierung von Dresden am 13. und 14. Februar 1945

Am 13. und 14. Februar 1945 finden wir die interessantesten Einträge des Tagebuchs. Adolf Vogel notiert:

Tagebuchaufzeichnung vom 13. Februar 1945

"Dienstag, 13. Februar: Mittags Fliegeralarm - 20.00 Uhr - 22.45 Uhr Fliegeralarm, 0.30 Uhr - 3.30 Uhr Fliegeralarm - feindliche Flugzeuge überfliegen die Stadt (Richtung) Nürnberg-Sachsen."

Am nächsten Tag wiederholt sich das Ganze nochmal:

"Mittwoch, 14. Februar: 11.30 Uhrr Fliegeralarm - 20.30 Uhr - 22.30 Uhr Fliegeralarm, 0.30 Uhr - 2.00 Uhr Fliegeralarm - feindliche Flugzeuge überfliegen die Stadt (Richtung) Nürnberg-Sachsen.

Tagebuchaufzeichnung vom 14. Februar 1945

Die Tagebuchaufzeichnungen an diesen beiden Tagen beschreiben nichts anderes als die Flugroute der alliierten Bomberverbände Richtung Dresden! Dresden wird nach dem Abwurf der Bomben nicht mehr das sein, was es einmal war. Die Luftangriffe auf Dresden und den Großraum der Stadt durch die Royal Air Force (RAF) und die United States Army Air Forces (USAAF) im Zweiten Weltkrieg  erfuhren ihren Höhepunkt in insgesamt vier Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945. Ein Teil dieser Angriffswellen wird durch die Tagebuchaufzeichnungen Adolf Vogels dokumentiert. Dieses massive Bombardement forderte nach neuesten Untersuchungen zwischen 22.700 und 25.000 Todesopfer, zudem wurden große Teile der Innenstadt und Teile der industriellen und militärischen Infrastruktur Dresdens zerstört.

Dresden nach der Bombardierung im Februar 1945 - Quelle: Bundesarchiv

Allmählicher Rückzug

Das Tagebuch gibt auch Auskunft darüber, wie sich sowohl deutsche Soldaten als auch Zivilisten im Februar 1945 immer mehr von den Fronten ins "Landesinnere" zurückziehen. Zwei Beispiele seien hier genannt:

27. Februar 1945:

"13.30 Uhr Fliegeralarm - 1 Kolonne einer Fliegerkommandantur mit Angehörigen per Lastzüge, 260 Personen, untergebracht Kolb-Saal, Nebenzimmer Post und Privatquartiere"

Tagebuchaufzeichnung vom 27. Februar 1945
Sich zurückziehende deutsche Soldaten in Pegnitz im Frühjahr 1945 - Foto: Stadtarchiv Pegnitz

1.März 1945:

"11.40 Uhr Öffentl. Luftwarnung - 15.00 Uhr und 20.10 Uhr Öffentl. Luftwarnung - Treck deutscher Bauern aus dem Osten mit 76 Pferden"

Das Tagebuch endet zunächst am 26. April 1945, als Hans Gentner als Bürgermeister in Pegnitz eingesetzt wird.

Gentner zog nach einer Eisendreherlehre in der Amag-Hilpert-Pegnitzhütte „auf der Walz“ durch Deutschland und kehrte 1893 zurück. 1902 wurde er als Sozialdemokrat in das Gemeindekollegium und 1908 in den Magistrat gewählt. Bereits von 1924 bis 1933 war er erster Bürgermeister seiner Heimatstadt – nach dem Krieg dann nochmals vom 26. April 1945 bis 1. Februar 1946, von 1912 bis 1920 und von 1924 bis 1933 Mitglied des Bayerischen Landtages, nach der Naziherrschaft war er Mitglied des Bayerischen Senats. Gentner war auch ein Verfolgter des NS-Regimes - zweimal war er in Dachau und einmal in Bayreuth eingesperrt. Er starb am 24. August 1953.

Am 9. Oktober 1946 setzt das Tagebuch wieder ein, um dann am 14. November desselben Jahres "seinen letzten Eintrag zu bekommen."

(Quelle: Tagebuchaufzeichnungen des Stadtoberinspektors und Kämmerers der Stadt Pegnitz Adolf Vogel - Januar 1945 bis November 1946, mit zwischenzeitlicher Unterbrechung)

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