Bereits mit Anfang 20 begann der gebürtige Nürnberger Johannes Julius sich künstlerisch zu betätigen. Ob Fotographie, Filmkunst, Malerei, Graphik oder Bildhauerei, fast jedes Medium des künstlerischen Ausdrucks wurde und wird von ihm bedient. Dabei übte Julius lange Jahre einen Beruf aus, welchen man nicht zwangsläufig mit einer Künstlerseele in Verbindung bringen würde: er war Postbeamter. Dieser teils „langweilige“ Beruf ließ ihm nach eigenen Aussagen jedoch genügend Freiraum, um seinem großen Hobby nachzugehen.
Julius wurde 1935 in Nürnberg geboren, wo er bis heute lebt. 1949 begann er seine Ausbildung zum Postbeamten. Seine Geburts- und Heimatstadt steht häufig im Zentrum seiner Werke, die durch das aktuell laufende N2025-Beteiligungsprojekt „Menschen machen Stadtgeschichte!“ ihren Weg in das Stadtarchiv Nürnberg fanden. Dort reichte Julius als Projektbeitrag mehrere Fotographien und insgesamt vier Amateurfilme ein, welche allesamt das Stadtbild Nürnbergs der 1950er und 1960er Jahre in ihren Fokus rücken.
Zunächst entwickelte sich die Leidenschaft für die Fotographie. Mit einer Ikoflex-Kamera ging Julius auf die Suche nach den passenden Motiven. Er fand sie in verschiedenen Ansichten des Nürnberger Stadtbildes. Sein täglicher Arbeitsweg führte ihn einmal quer durch die Altstadt, welche sich damals zwar bereits im Wiederaufbau befand, deren Erscheinungsbild jedoch bestimmt wurde von den Ruinen der Kriegszerstörung. Diese Ruinen wurden in das alltägliche Leben der Stadtbevölkerung einbezogen und mit Leben gefüllt. Die Menschen und ihre Stadt wurden so zu einem zentralen Thema in Julius Fotographien. Um den künstlerischen Anspruch weiterzutreiben versuchte er sich zudem an Bildmanipulationen, welche aus heutiger Sicht erstaunlich modern anmuten.
Aufgrund des Schicht-Systems in seiner Arbeitsstelle im Rundbau am Hauptbahnhof bestritt Julius seinen täglichen Arbeitsweg zu den unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten. Wie sich das Stadtbild und die Atmosphäre in den verschiedenen Lichtverhältnissen veränderten, faszinierte Julius ungemein. Hier fand er die Motive für seine Fotokunst. Er stellte die Stadt und den Alltag ihrer Bewohner dar. Obwohl es sich bei den Fotographien um Momentaufnahmen handelt, zeugen sie durch das Kontrastspiel des natürlichen Lichtes von einer innenwohnenden Dynamik, die sich schließlich durch das Medium des Films verselbstständigen konnte.
Auch hier war es sein Bestreben, die Stadtdynamik in den Fokus zu rücken. Die Filme „Puls einer Großstadt“ und „Auf dem Volksfest“ zeigen Momentaufnahmen des einstigen Alltags. Die zentralen Schauplätze der Handlungen decken sich trotz einer Distanz von über 50 Jahren mit den Knotenpunkten der heutigen Stadt. Gleichzeitig zeigen die Filme eine Stadt im Wiederaufbau, welche sich nach einer Periode der Ideologisierung und Zerstörung in Folge des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges aus ihrem Aschebett erhebt. Die Straßen werden in Handarbeit geteert, zahlreiche Baugerüste und Baugruben prägen das Stadtbild.
Auch Julius‘ Ambitionen entwickelten sich weiter, und so ging er den Schritt und von der Realitätsdarstellung zur Inszenierung. Das Herzstück seiner Abgabe stellt der Kriminalfilm „Flucht ins Verderben“ dar. Dort setzte Julius in Zusammenarbeit mit seinem Arbeitskollegen Horst Schweflinghaus und weiteren Beteiligten den Kriegsruinen der Nürnberger Altstadt ein Denkmal. Sie wurden Schauplatz einer grausamen Mordserie und einer tödlichen Verfolgungsjagd. Zudem bestimmten sie den atmosphärischen Tenor des Amateurkrimis, welcher ausschließlich mit einer Bolex-Doppel-8 Handkamera gedreht wurde. Neben einigen Innenszenen fiel die Wahl der Schauplätze auf das Areal der Westtormauer, das zerstörte Areal entlang der Karlsbrücke sowie auf das Gelände am Trödelmarkt entlang des Pegnitzufers.
Jede Szene des schwarz-weiß Films wurde nur einmal gedreht, da Filmmaterial teuer war und allein das Versammeln aller neun Mitwirkenden zu einem Szenendreh große Herausforderungen mit sich brachte. Die Vertonung musste extra erfolgen, wobei die Zuständigkeit hierfür auf Horst Schweflinghaus fiel, welcher wie Julius Autodidakt war und sich jährlich mit dem neusten Grundig-Tonband ausstattete. In Julius‘ Wohnung mussten die Schauspieler ihre Texte nochmals auf Band sprechen. Die Synchronisierung der Film- und Tonspur barg dabei besondere Schwierigkeiten, denn die Schauspieler erinnerten sich häufig nicht mehr an den genauen Wortlaut des gesprochenen Textes, welcher von dem leider verschollenen Drehbuch meist abwich. So ist die Synchronisierung zwar nicht bei jeder Szene perfekt gelungen, dem Charme dieses Amateurprojekts tut dies jedoch keinen Abbruch. Bei der Wahl der Film-Musik bediente man sich bei einem großen Vorbild: die Intro-Melodie entspricht der damals sehr beliebten Serie „Stahlnetz“, welche auch die Bildsprache von „Flucht ins Verderben“ inspirierte. So war es für die Produzenten eine unumstößliche Selbstverständlichkeit, den Film in schwarz-weiß zu drehen, da dies damals das gängige Medium für Kriminalfilme war.
Die Filmproduktion dauerte insgesamt fast drei Monate. Die Uraufführung erfolgte an einem Sonntag, in einem angemieteten Saal im Fernmeldeamt in der Allersberger Straße und vor einem Publikum aus 50 Personen. Außer im privaten Kreis kam es zu keiner weiteren Vorstellung bis zum 29. September 2018, wo neben „Flucht ins Verderben“ auch die drei weiteren Filme „Puls einer Großstadt“, „Auf dem Volksfest“ und „Der Pillenvertreter“ beim Aktionstag „Boulevard Babel“ vom Stadtarchiv Nürnberg erneut öffentlich gezeigt wurden. Die Filme sind neben weiteren Fotographien von Johannes Julius nun Teil des Sammelbestandes E 63, welcher eigens für das Projekt „Menschen machen Stadtgeschichte!“ angelegt wurde, und können von den Besuchern des Stadtarchivs eingesehen werden.