Dr. Johann Georg Ritter von Schuh

Gastbeitrag von Martina Bauernfeind, Kulturreferat der Stadt Nürnberg

Am 2. Juli 1918 - vor genau 100 Jahren - starb hoch dekoriert und mit zahlreichen Ehrentiteln ausgezeichnet Dr. Johann Georg Ritter von Schuh in Starnberg. Zunächst als Rechtsrat, dann als Erster Bürgermeister und Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg stellte der gebürtige Fürther die entscheidenden Weichen für Nürnbergs Weg in die Moderne.

Dr. Georg Ritter von Schuh

Porträt des Kgl. Geheimen Hofrats Dr. Georg Ritter von Schuh, 1. rechtskundiger Bürgermeister der Stadt Nürnberg 1905 (Stadtarchiv Nürnberg A 7/I Nr. 4489).

Hochindustrialisierung, Wirtschaftsboom und rasanter technischer Fortschritt, demografischer Wandel, Stadtwachstum und Verstädterung, aber auch neuartige soziale Problemstellungen und gesellschaftspolitische Prozesse veränderten gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit ungeheurer Dynamik Lebenswelten und beschleunigten Zeitabläufe. Den damit einhergehenden Herausforderungen für Daseinsvorsorge und technischen Städtebau, professionelles Verwaltungshandeln und Entwicklung gesellschaftskultureller Standards und neuer Denkmuster begegnete die Stadt unter der Ägide Georg von Schuhs effizient, vielfach mutig und mit hoher Gestaltungskraft. Eine Vielzahl an Strukturen, Einrichtungen und städtischen Planungskonzepten basiert auf diesen Grundlagen und Signaturen des Urbanisierungsschubes um 1900 sind noch heute teils prominent im Stadtraum sichtbar.

Am 17. November 1846 wurde Georg Schuh in einfachen Verhältnissen geboren und sollte zunächst als Holzschnitzer in die Lehre gehen. Aufgrund guter schulischer Leistungen absolvierte er jedoch eine Ausbildung zum Volksschullehrer im Lehrerseminar Schwabach. Nach nur kurzer Lehrtätigkeit bestand er 1868 am Erlanger Gymnasium das Abitur und studierte in München und Berlin Jura. 1874 bzw. 1875 erfolgten Promotion und Staatsexamen und 1878 trat Schuh als rechtskundiger Magistratsrat in die Nürnberger Stadtverwaltung ein. Hier profilierte er sich mit der wenig appetitlichen, aber lebensmittelhygienisch wichtigen Einführung der obligatorischen Trichinenschau. Auch die Planung des 1997 geschlossenen städtischen Vieh- und Schlachthofs fiel in sein Ressort. Während seines Intermezzos als Erlangens Erster Bürgermeister 1881 bis 1892 vollzog die kleine Universitätsstadt einen wesentlichen Modernisierungsschub und Schuh lief sich für seine zukünftigen Aufgaben warm: 1892 trat er die Nachfolge des Ersten Bürgermeisters Karl Otto von Stromer an. Vor dem Hintergrund der Hochindustrialisierung schlug Schuh u. a. mit dem Elektrizitätswerk, der Erschließung der Rannaquelle, dem Krematorium als erster Feuerbestattungseinrichtung in Bayern, der Beteiligung an der Großkraftwerk Franken AG und der Fränkischen Überlandwerk AG neue Wege in der Daseinsvorsorge ein. Mit der Eingemeindung der Vororte und dem Ausbau der Folgeeinrichtungen trug die Stadt dem rasanten, vor allem zuzugsbedingtem Bevölkerungswachstum Rechnung. Insbesondere der Schulhausbau avancierte zum Leistungsbeleg der Verwaltung. Auch die von Schuh initiierte Bayerische Landes-Gewerbe-Industrie- und Kunstausstellung 1906 steht im Zusammenhang gezielter Raumplanung. der Luitpoldhain ist bis heute eine wichtige Naherholungsinsel im Stadtsüden.

Die Kunstausstellungshalle am Marientor (Fränkische Galerie)

Die Kunstausstellungshalle am Marientor (Fränkische Galerie) in Nürnberg 1913 (Stadtarchiv Nürnberg A 38 Nr. A38-B-76-16).

Durch die gezielte Förderung öffentlichen Mäzenatentums konnte Schuh im kulturellen Bereich und im Gesundheitswesen zahlreiche Projekte verwirklichen, dazu zählten etwa der Neptunbrunnen auf dem Hauptmarkt, die Fränkische Galerie, das Künstlerhaus, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Egidienberg oder die Lungenheilanstalt Engelthal. Vergleichsweise flexibel zeigte sich Schuh – selbst Liberaler – im gesellschaftspolitischen Bereich. So bahnte er nach 1908 das Modell einer liberal-sozialdemokratischen Zusammenarbeit an und setzte sich nachhaltig für die kulturelle Öffnung gegenüber zugewanderten Bevölkerungsgruppen und kulturellen Minderheiten ein. 1902 markierte die Fertigstellung der Herz-Jesu-Kirche im industriereichen Süden der Stadt als erster katholischer Kirchenneubau seit der Reformation den Beginn für den Bau weiterer katholischer Gotteshäuser und trug dem wachsenden Bevölkerungsanteil der Katholiken Rechnung. Auch die Genehmigung zur Wiedereinführung der öffentlichen Fronleichnamsprozession ab 1894 war maßgeblich Schuhs Eintreten für Toleranz geschuldet. Dementsprechend trat Schuh antisemitischen Umtrieben energisch entgegen, 1902 fiel auch der Bau der Synagoge in der Essenweinstraße in seine Amtszeit.

Neptunbrunnen auf dem Hauptmarkt

Bürgermeister Georg von Schuh, der Stifter Ludwig Gerngros und der Vorstand des Gemeindebevollmächtigtenkollegiums Georg Heße vor dem Neptunbrunnen am Hauptmarkt 1903 (Stadtarchiv Nürnberg A 47/I Nr. KS-37-3).

Vor dem Hintergrund der erstarkenden Sozialdemokratie und in Hinblick auf sein fortgeschrittenes Alter trat Schuh 1913 auf Druck des liberalen Lagers zurück. Ihm folgte der Katholik Dr. Otto Geßler. Seinen Lebensabend verbrachte Schuh in Starnberg. Unter seinen zahlreichen Auszeichnungen, Orden und Titeln ist die Erhebung in den erblichen Adelsstand 1913 hervorzuheben. Bezüglich stadtbürgerlicher Selbstdarstellung und sichtbare Symbole öffentliche Wertschätzung war Schuh ganz „Kind seiner Zeit“ und sparte auch selbst nicht, solche zu vergeben und zu kreieren. 1897 wurden vermutlich auf seine Initiative Ehrenmedaillen für verdiente Stadträte eingeführt. Eine weitere Offensive Schuhs, die Magistratsräte bei offiziellen Anlässen zum Tragen von Zweispitz-Hüten und Degen zu verpflichten, scheiterte am Widerstand aus den eigenen Reihen. Denn die kommunale Verwaltungsspitze fürchtete, in diesem Aufzug der Lächerlichkeit preis gegeben zu werden.

Bis heute gepflegt wird hingegen das „Goldene Buch der Stadt“, das Schuh als Ausdruck des kommunalen Selbstbewusstseins 1897 auflegen ließ. Mit fast 300 Einträgen ist es seither durch unzählige prominente Hände gegangen und dokumentiert einen spannenden Teil der Stadtgeschichte.

Georg von Schuh wurde auf dem Johannisfriedhof beigesetzt, der Ritter-von- Schuh-Platz in Lichtenhof, aber auch sein Konterfei im „Kaufmannszug“ auf dem IHK-Gebäude erinnern an ihn.

3 Kommentare

  1. Anna Levandovska 2 Juli, 2018 at 09:47 Antworten

    Ein sehr interessanter Artikel. Ich würde gerne die heraldische Ausstattung der Blätter 1 bis 9 mit den fürstlichen Einträgen von Friedrich Wanderer aus dem Goldenen Buch ansehen, aber online finde ich nichts.

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