„Vorübergehende Heimat Pegnitz“  – die jüdische DP-Gemeinde in der Stadt 1945-50

Herzliche Einladung zur Ausstellung im Bürgerzentrum Pegnitz - die Ausstellung läuft noch bis zum 21. Juli 2022

Lesen Sie hier, was Sie in der Ausstellung erwartet.

Offizielles Ausstellungsplakat

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebten in Pegnitz zwischen 1945 und 1950 etwa 80 Bürger jüdischen Glaubens – sie bildeten hier die ‚Jüdische DP-Gemeinde Pegnitz‘ (DP=Displaced Persons).

Sie hatten den Holocaust in den Ghettos und Konzentrations- und Vernichtungslagern überlebt. Manchen war auch die Flucht gelungen.

Ausschnitt aus dem Ausstellungsplakat
Ausweis von Marian Baran - Befreit aus dem KZ Buchenwald

Die jüdische Gemeinde hatte auch einen Vorstand, das ‚Jewish Committee Pegnitz‘ – Vorsitzender war Viktor Klein, der in Pegnitz eine Ledergroßhandlung besaß.

Viktor Klein, geboren 1920 in Lask - Vorsitzender des Jewish Committee Pegnitz
Vorstand und Mitglieder des Jewish Committee Pegnitz 1946

Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Fragen:

  • Wer waren die Mitglieder? Wo kamen sie her? Wo wurden sie geboren?
  • Welche Ghettos und/oder Konzentrationslager mussten sie „durchleiden“?
  • Wo in Pegnitz fanden sie ein kurzzeitiges Zuhause?
  • Wohin wanderten sie aus?

So gut wie alle Juden, die in Pegnitz nach dem Krieg ein kurzzeitiges Zuhause fanden, stammten aus Polen.

Unter den Familien bildeten sich familiäre Beziehungen heraus – es wurde auch untereinander geheiratet.

Auch Kinder wurden hier in Pegnitz geboren, manches auch im Krankenhaus in Bayreuth.

Keine der Familien blieb in Pegnitz. Alle verließen Pegnitz wieder, sehr viele wanderten aus.

Auswanderungsziele waren die USA, Kanada, Israel, Australien, Frankreich oder auch Schweden.

Der bekannteste jüdische Bürger von Pegnitz ist natürlich David Minkowski, der zusammen mit seiner Frau Herta das legendäre ‚Kaufhaus Minkowski‘ in der Rosengasse führte.

Ehem. Häftlinge des KZ-Außenlagers Pottenstein - ganz links David Minkowski
Kaufhaus Minkowski in der Pegnitzer Rosengasse - Foto: Ende der 1980er Jahre

Er gehörte aber der jüdischen DP-Gemeinde Pottenstein an und kam erst nach 1950 nach Pegnitz.

Nach der Entnazifizierung übernahmen manche Juden als sog. Treuhänder Pegnitzer Betriebe, so z.B. den Steinbruch der Familie Wiesend oder auch die Dachziegel- und Zementwarenfabrik in der Buchauer Straße.

Firma Wiesend - Dokument zur Benutzung des Steinbruchs am Buchauerberg 1946
Briefkopfausschnitt: Treuhänder: Viktor Klein, Pächter: Zyser Lapides
Dokument über die Inhaftierung von Zyser Lapides im KZ Auschwitz

Der 1908 in Sossnowitz in der Woiwodschaft Schlesien geborene Moritz Werdigier führte die Dachziegel- und Zementwarenfabrik in Pegnitz. Er hatte das KZ Ebensee, ein Außenlager von Mauthausen, überlebt. Sein 1946 in Pegnitz geborener Sohn Wolf Werdigier lebt heute als internationaler Künstler in Wien.

Briefkopf "Dachziegel- und Zementwarenfabrik Moritz Werdigier Pegnitz/Ofr."
Mitglieder der jüdischen DP-Gemeinde Pegnitz bestätigen der Familie Pflaum ein einwandfreies Verhalten - 1946

Sehen wir uns einige weitere jüdische Familien in Pegnitz etwas näher an:

Mendel Feldbrüll wurde am 10. Mai 1921 in Gleiwitz, Woiwodschaft Schlesien, geboren. Als Insasse des KZ's Buchenwald hatte er den Holocaust überlebt. Nach dem Krieg fand er zusammen mit seiner Frau Mila von 1945 bis 1948 in Pegnitz eine neue Heimat. Er arbeitete hier als Schlosser, so wie es auch im Adressverzeichnis von 1948 zu lesen ist. 1948 wurde auch Sohn Lewek im naheliegenden Bayreuth geboren. Wenig später wanderte die Familie Feldbrüll in die USA aus - ihr neues Zuhause hieß nun San Francisco. Aus Mendel (oder Moniek) Feldbrüll wurde jetzt Martin Feldbrill. Sohn Lewek Feldbrüll - später Leon Feldbrill - arbeitete als Zahnarzt in San Francisco.

Mendel und Mila Feldbrüll in Treblinka am Gedenkstein für die Opfer aus Tschenstochau
Moniek (Mendel) Feldbrüll - Häftlings-Personal-Karte aus dem KZ Buchenwald
Eintrag zu Mendel Feldbrüll im Adressbuch der Stadt Pegnitz aus dem Jahr 1948
Namensänderung in den USA 1962 - aus Mendel Feldbrüll wird Martin Feldbrill

Abraham Tusk wurde am 25. Dezember 1921 in Pabianice, Woiwodshaft Lodz, geboren. Er hatte den Holocaust im Ghetto Lodz (von den Nationalsozialisten in 'Litzmannstadt' umbenannt) überlebt. Als gelernter Sattler arbeitete er auch in Pegnitz in diesem Beruf. Wie so viele, zog es auch ihn und seine Familie in die Vereinigten Staaten - die Familie Tusk ließ sich in New York nieder. Es wurden Kinder und Enkelkinder geboren, ihr Sohn Pinkus hatte aber bereits 1947 in Bayreuth das Licht der Welt erblickt. Von ihm existieren Bilder. Nachforschungen ergaben, dass er etwa 2010 in Brooklyn (New York) verstorben ist.

Porträt von Abraham Tusk Ende der 1990er Jahre
Abraham Tusk und seine Familie in den USA
Pinkus Tusk, Sohn von Abraham Tusk und 1947 in Bayreuth geboren -
hier in einer Zeitung aus dem Jahr 2010

Felix Plawner wurde am 1. Oktober 1920 in Grodziec, Woiwodschaft Oppeln, geboren. Er hatte das KZ Auschwitz überlebt und fand zusammen mit seiner Frau Rosa Plawner, geborene Cymberknopf, und seinen beiden Brüdern Cudek und Karl vorübergehend in Pegnitz eine neue Heimat. Felix arbeitete als Beamter in Pegnitz, Karl war Inhaber eines Gemischtwarengeschäftes in Gößweinstein und Cudek Geschäftsführer von sechs Landwirtschaftsschulen in der Umgebung von Pegnitz. Felix Plawner wanderte mit Frau und seinen beiden Töchtern in die USA aus, sie fanden in New Jersey ein neues Domizil. Tochter Hanna wurde 1947 in Bayreuth geboren und machte später in Ihrer neuen Heimat Karriere.

Unterschrift des Treuhänders Cudek Plawner
Auswanderung der Familie Plawner in die USA
Hanna Plawner, Tochter von Felix und Rosa Plawner, macht beruflich Karriere in den USA

Die Namen der jüdischen Familien, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Pegnitz ein kurzzeitiges Zuhause fanden, waren: Altman, Baran, Belach, Braines, Cymberknopf, Danilak, Feldbrüll, Fischer, Galperin, Gelbard, Goldfarb, Goldmann, Gutman, Ickowicz, Klein, Lapides, Lewin, Mendlewicz, Milstein, Monka, Morgenstern, Niegoslawska, Plawner, Podbereski, Prengler, Rabinowicz, Redlic, Reichbart, Reicher, Rosenthal, Satler, Schulz, Silberstein, Tabakman, Teich, Tenenbaum, Tusk, Weisberg, Werdigier, Wroblewski, Zahler, Zelichowska, Zielonykwiat. David Minkowski kam erst nach 1950 aus Pottenstein nach Pegnitz. Hinzu kamen noch die Namen Feder (Fedorczuk), Frenk, Friedmann, Goldblum und Lubowski, die zwar nicht in Pegnitz gemeldet waren, aber ihre Arbeit in Pegnitz fanden.

Über alle in Pegnitz gemeldeten Familien ist jeweils ein "Biographie-Blatt" angelegt und in der Ausstellung zu sehen:

Beispiel: Biographie-Blatt von Mendel Feldbrüll

Vor dem Zweiten Weltkrieg ist nichts über jüdische Familien in Pegnitz bekannt.

Man muss schon bis ins späte Mittelalter zurückgehen, um auf jüdisches Leben im Raum Pegnitz zu stoßen. Bekannt ist, dass es bei Rosenhof einen jüdischen Friedhof gab.

Neben den hier erwähnten Biografien zeigt die Ausstellung auf zahlreichen Wandtafeln und in etlichen Vitrinen das Leben so gut wie aller kurzzeitig in Pegnitz wohnenden Bürger jüdischen Glaubens.

Das Thema ist leider aktueller denn je – der Krieg in der Ukraine, Rassismus und Völkermord bestimmen die täglichen Nachrichten.

Kontakt:

Andreas Bayerlein, Hauptstraße 37, 91257 Pegnitz, Tel. 09241 72326,

Mail andreas.bayerlein@stadt-pegnitz.de

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