Nürnberger als Galeerensklaven

1571 erfolgte eine Neuerung in der Nürnberger Strafrechtspflege, die offenbar - betrachtet man ihren Wiederhall in den Nürnberger Chroniken - großes Aufsehen erregte: Erstmals wurden Nürnberger Strafgefangene als Ruderer auf venezianische Galeeren verschickt. Aufmerksam vermerkten die Chronisten selbst die Namen der sechs Diebe und Straßenräuber, denen dies widerfuhr: der Buchbinder Hans Weidmann, der Lebküchner Hauer, der Tuchmacher Ehrmann, ein Hutmacherssohn, ein Metzger von Hersbruck und ein Bauer aus Kraftshof. Nürnberger als Galeerensklaven - und das nicht als Kriegsgefangene oder aufgrund sonstiger unglücklicher Umstände, sondern vom Nürnberger Rat selbst mit voller Absicht dorthin geschickt! Wie kam es dazu?

Nürnberger Galeerensklaven

Zeichnung der Abführung Nürnberger Gefangener zum Einsatz auf venezianischen Galeeren in der Neubauer´schen Chronik, 1601 (Stadtarchiv Nürnberg F 1 Nr. 42 )

Im Dezember 1571 kam ein Gesandter Venedigs zu etlichen deutschen Fürsten und Reichsstädten und bat um die Überlassung von Gefangenen, „die das Leben nicht gar verwirkt hatten, sondern die sonst des Landes sollten verwiesen oder mit Ruten ausgestrichen werden, die sollte man den Venezianern geben, denn sie bedurften der Leute auf den Galeeren zum Rudern“. Der Rat ließ sich nicht lange bitten. Schon am 20. Dezember ließ er sechs Gefangene aus dem Lochgefängnis holen und auf das Rathaus führen. Dort mussten sie schwören, dass sie die Stadt immer und ewig meiden und nie mehr hereinkommen wollten. Danach wurden sie auf einen Wagen gesetzt und nach Ansbach gefahren, wo der Markgraf einige weitere Gefangene lieferte, und der Transport setzte sich „nach Welschland“ in Bewegung. Für fast alle war es eine Reise ohne Wiederkehr. Nur der Hutmacher sah die Freiheit wieder, aber auch er lebte nicht mehr lange.

Was mochte den Rat zu einem so ungewöhnlichen Schritt bewogen haben? Der Gedanke liegt nahe, dass er ohne eigene Kosten seinen Handelspartnern in der Lagunenstadt einen Gefallen tun wollte, zumal er sich so seiner Spitzbuben entledigen konnte. War es also ein Verkauf der eigenen Bürger und Untertanen aus schnöder Geldgier?

Es könnte auch ein anderer Grund vorliegen. 1570 hatten die Türken das venezianisch beherrschte Zypern angegriffen und nach heftigen Kämpfen erobert, einen der letzten großen Außenposten der Christenheit im östlichen Mittelmeer. Eine sofort entsandte venezianische Hilfsflotte von 100 Galeeren erlebte ein Fiasko. Viel zu schwach bemannt und durch Krankheit weiter geschwächt, musste sie nach Venedig zurückkehren, noch bevor es zum Gefecht gekommen war. Eine Aufstockung der Mannschaften aber war unmöglich, hatten doch Pest und Typhus das venezianische Gebiet entvölkert. Dies erklärt den Hilferuf Venedigs und die Bereitschaft des Nürnberger Rates, der ungewöhnlichen Bitte zu entsprechen: Es war - zumindest auch - ein Akt der Solidarität mit den bedrohten Glaubensbrüdern, ein Beitrag zur Verteidigung des Abendlandes.

Für die Rettung des Abendlandes kamen die Nürnberger allerdings zu spät: Schon am 7. Oktober 1571 hatte die vereinigte päpstlich-spanisch-venezianisch-genuesische Flotte bei Lepanto einen großen Sieg errungen. Ganz Europa jubelte - aber der Krieg ging weiter, und Galeerenruderer blieben Mangelware. Noch viermal vermelden Nürnberger Chroniken die Verschickung von 6, 5, 3 und 13 Gefangenen. Einmal war sie vergeblich: Nahe Augsburg gelang allen sechs Gefangenen des ersten dieser Transporte die Flucht.

Der letzte Transport verließ Nürnberg am 29. Juli 1573. Das Datum ist aufschlussreich: Im gleichen Jahr schloss das erschöpfte Venedig - gegen den Willen des Papstes, der die Exkommunikation der Stadt erwog - Frieden mit dem Sultan und verzichtete auf Zypern. Schlagartig sank der Bedarf an Galeerenruderern, und zugleich endete die Verschickung Nürnberger Strafgefangener nach Venedig. Es war eben doch eine Notstandsmaßnahme, keine auf Dauer angelegte Strafrechtsreform.

Nürnberger Galeerensklaven

Zeichnung der Abführung Nürnberger Gefangener zum Einsatz auf venezianischen Galeeren in der Neubauer´schen Chronik, 1601 (Stadtarchiv Nürnberg F 1 Nr. 42 )

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