Kinder empören sich – Reaktionen auf zeitgenössische Kunst

Gastbeitrag von Laura Kubitzek und Maria Horn

Seit 2004 gibt die Kunsthalle Nürnberg (jetzt Bestandteil des KunstKulturQuartiers) Akten an das Stadtarchiv Nürnberg ab. Diese bezie­hen sich teilweise auf die Inventarisierung des eigenen Kunstbestandes und den Haushalt; zu einem großen Teil aber auch auf die von der Kunsthalle realisierten Ausstellungen und Projekte.

Ausstellungsplakat von Alois Köchl als Stadtzeichner 1984. (Stadtarchiv A 28 Nr. 1985/344)

Ausstellungsplakat von Alois Köchl als Stadtzeichner 1984. (Stadtarchiv A 28 Nr. 1985/344)

Eines dieser Projekte ist das „bestdotierte Künstler-Stipendium der Bundesrepublik“ (Bayernland Nr. 5/Mai 1990) – das Stipendium für Stadtzeichnerinnen – das erstmals 1980 und letztmals 1993 vergeben wurde. Zusammen mit dem Schreibwaren-Hersteller Faber-Castell ermöglichte die Kunsthalle damit jungen Künstlerinnen – zu Beginn einige Monate, später ein Jahr – als Stadtzeichnerinnen für Nürnberg tätig zu sein und ihre dabei entstandenen Arbeiten anschließend in einer Einzelausstellung zunächst in der Kunsthalle selbst, ab Ende der 1980er Jahre dann in der Norishalle zu präsentieren.

Der österreichische Stadtzeichner von 1984, Alois Köchl, brachte mit seinem Ausstellungsplakat sogar eine Schulkasse dazu, ihm Briefe zu schreiben: am 6. Februar 1985 – zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung – ging bei der Kunsthalle ein Umschlag der Grundschule Julius-Leber-Straße 108 ein, in dem 26 Zettel mit den Meinungen der Kinder, sowie ein Begleitschreiben des Lehrers zu finden waren. Scheinbar hatte das Plakat – auf dem ein Bild Köchls in der für ihn typischen, stark gekritzelten Malweise zu sehen ist – die Gemüter der Schülerinnen der 4a so stark erregt, dass sie das Bedürfnis hatten, dem Künstler ihre Meinung mitzuteilen.

Aus dem Begleitschreiben geht hervor, dass sich der Lehrer mit der Reaktion seiner Schülerinnen überfordert fühlte und deshalb die Kunsthalle um Hilfe bei der Erklärung oder Interpretation der Arbeit Köchls bat. Die Gleichförmigkeit der Kritik und das wiederkehrende Auftauchen bestimmter Formulierungen in den Mitteilungen der etwa zehnjährigen Kinder lassen jedoch eher vermuten, dass der Lehrer hier nicht ausschließlich als Überbringer der Botschaften fungierte, sondern auch eine entscheidende Rolle bei deren Entstehung spielte.

Eine Auswahl aus den 26 Briefen im Bestand C 120 Nr. 368 lässt deutlich die Ähnlichkeit in der Beurteilung des Plakats durch die Schülerinnen erkennen: Wiederkehrend sind die Beurteilungen, es handle sich dabei um „Geschmier(e)“, „Gekritzel“ und „Kitsch“ und sei damit „Moderne Kunst der heutigen Babys“. Einige der Schülerinnen haben anscheinend einen „Couseng [sic]“ oder eine Cousine, die „selbst bessere Gemelde mahlen [sic]“ können, von ihnen selbst ganz zu schweigen.

 

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