Gastbeitrag von Fadi Keblawi, Redakteur bei der Sportredaktion des Verlags Nürnberger Presse
Die beste Zeit ihres Lebens hat Kerstin Hoffmann auf einem staubigen Sandplatz verbracht, ist nachts zum Beispiel zu einem Fußballspiel nach Duisburg gefahren und hat sich kurz nach der Ankunft am nächsten Tag eine Klatsche abgeholt.
An einem kühlen Abend im März, kurz vor den Geburtstagsfeierlichkeiten des Clubs, sitzt Hoffmann im Funktionsgebäude und erzählt von früher. Und sie erzählt vom Heute. Neben ihr sitzt Luisa Guttenberger. Sie ist die Kapitänin des aktuellen Jahrgangs der Fußballerinnen, die gerade dabei sind in die erste Liga aufzusteigen. Zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte, zum dritten Mal nach 1999, als Hoffmann dabei war, und 2023, als Guttenberger ihre erste Saison für den Club spielte. Vorher, sagt Guttenberger, war der 1. FC Nürnberg eigentlich lange keine Alternative mehr für ambitionierte Fußballspielerinnen. Deshalb ist sie einst vom ASV Neumarkt direkt zum FC Bayern München gewechselt. „Man hat den 1. FC Nürnberg nicht auf dem Schirm gehabt“, sagt sie. Was auch daran lag, dass der 1. FC Nürnberg in dieser Zeit den Fußball der Frauen nicht so recht auf dem Schirm hatte.
Hoffmann und Guttenberger sind kluge Menschen, die wissen, dass der Fußball der Frauen immer auch ein Kampf um Gleichberechtigung ist – auch in einem Verein wie dem 1. FC Nürnberg. Damals wie heute - auch wenn Guttenberger und ihre Mitspielerinnen in ganz anderen Strukturen arbeiten können und mit einem ganz anderen Selbstverständnis an die Dinge herangehen als Hoffmann und ihre Mitspielerinnen vor knapp 30 Jahren.
„Vor 20, 30 Jahren wurde die Basis gelegt, für das, was wir heute haben“, sagt Guttenberger heute. Und für Hoffmann gilt das noch einmal etwas mehr als für all die anderen fußballspielenden Frauen der damaligen Zeit. Nur weil sie unbedingt Fußball spielen wollte, es aber kaum Angebote an Mädchen gab damals, hat ihr Vater die Abteilung Frauen- und Mädchenfußball beim Club gegründet.

Kerstin Hofmann (rechts im weißen Trikot) am 13.05.1999 (Foto: Michael Matejka)
Dass es sie noch gibt, hat mit Glück zu tun und vor allem mit vielen Menschen, die jene „Leidenschaft“, mit der Hoffmann und andere damals gespielt haben, weiterleben. Der Aufstieg damals war ein Höhepunkt im Verborgenen. „Man hat uns damals gar nicht gesehen“, sagt Hoffmann über die Zeit, als sie hinten auf dem Sandplatz am Valznerweiher trainiert habe um halbacht am Abend.
Später als sich das mit der Bundesliga erledigt hatte, sind sie noch unsichtbarer geworden, haben immer ums finanzielle Überleben kämpfen müssen, waren irgendwann keine Abteilung des 1. FC Nürnberg mehr, sondern ein eigenständiger Verein, für den die Bundesliga nicht mehr erreichbar schien.
Jetzt kann man sie immer sehen, weil sich irgendwann doch wieder Menschen wie der Sportliche Leiter Osman Cankaya gefunden haben, die professionelle Strukturen aufgebaut haben – erst einmal immer noch im Verborgenen, aber irgendwann konnte man sie nicht mehr übersehen.
Sie haben in der letzten Erstliga-Saison ihre Heimspiele im Max-Morlock-Stadion ausgetragen – eine größere Bühne gibt es nicht in Nürnberg. Es ist ein Kinofilm über sie entstanden, man kennt in der Stadt jetzt die Namen der Spielerinnen, manche – wie die ehemalige Torhüterin Lea Paulick – sind zu regionalen Berühmtheiten geworden.
Seit 2022 sind sie wieder eine Abteilung des 1. FC Nürnberg. Es war ein großer Augenblick für alle, als das auf der Mitgliederversammlung beschlossen wurde. Sie trainieren nicht mehr versteckt, haben ein Trainerteam, das den Namen verdient, fahren mit dem Mannschaftsbus zu Auswärtsspielen und übernachten in Hotels der Kategorie, in denen auch die Männer vor ihren Auswärtsspielen absteigen.
Sie sind jetzt ein wirklicher Teil eines Vereins mit einer „wahnsinnigen Strahlkraft“, wie es Hoffmann ausdrückt. Aber ist dieser 125 Jahre alte 1. FC Nürnberg – gegründet von Männern für Männer – im Jahr 2025 auch ein Verein der Frauen?
„Er hat Potenzial, das unter anderem auch zu werden. Ich glaube aber auch, dass da noch viel vor uns liegt“, sagt Guttenberger. Aber es hat etwas begonnen, nicht nur auf dem Platz. „Es gibt in diesem Verein wahnsinnig viele und qualifizierte Mitarbeiterinnen. Da ist sehr viel passiert im Vergleich zu früher, als der Club eine Männerdomäne war. Früher hat man das eher belächelt, was die Frauen machen“, sagt Hoffmann, die selbst im Nachwuchsleistungszentrum (der Männer) mitarbeitet.

Luisa Guttenberger bei der Partie des 1. FC Nürnberg gegen den SC Sand am 13.04.2025 (Foto: Sportfoto Zink)
Hoffmann hat in ihrer Zeit als Spielerin zwei- bis dreimal trainiert in einer Woche. Die Nachtfahrten zu den Auswärtsspielen in der Bundesliga haben sie gemacht, um die Übernachtung zu sparen. Die Tankrechnung mussten sie manchmal selbst bezahlen. Guttenberger und ihre Mitspielerinnen trainieren heute achtmal in der Woche. Es klingt wie ein anderes Leben, ein anderer Sport. Es ist eine andere Zeit. Eine, in der immer noch nicht alles gut ist. So, wie früher nicht alles schlecht war. Ich gönne jeder, wie das heute läuft. Aber ich bin glücklich, wie es bei mir war. „Ich bin stolz darauf, dass ich meinem Hobby nachgehen konnte und dass ich frei war“, sagt Hoffmann heute, „wir haben die Basis dafür gelegt, dass das hier nicht komplett in der Versenkung verschwindet.“ In der Versenkung sind sie nicht verschwunden. Im Gegenteil: Sie sind heute sehr offiziell mitgemeint, wenn der 1. FC Nürnberg Geburtstag feiert.
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