"Betreff: Komikererlaubnis" - genehmigungspflichtiger Volkshumor in Nürnberg vor 1945

Üblicherweise werden öffentliche Archive nicht mit Komik in Verbindung gebracht. Dies entspricht durchaus den Tatsachen, mag sich auch ab und an ein einschlägiger Nachlass hierher verirren. Bleiben außerhalb spezialisierter Institutionen wie dem Deutschen Kabarettarchiv in Köln / Bernburg oder dem Valentin-Karlstadt-Musäum in München meist also nur die verwaltungstechnischen Aspekte des Metiers, das aber eine tiefergehende Erforschung verdient hätte, da es sich neben bürgerlicher "Hochkultur" wie Schauspiel und Oper und vor Kino, Radio und Fernsehen um einen wichtigen Zweig der alltäglichen Unterhaltung der Normalbevölkerung gehandelt hat: Eine Stichprobe in der Rubrik "Komiker" des Nürnberger Adressbuches für 1924 ergibt 35 Einträge, wobei die Wohnsitze in den Vierteln der "kleinen Leute" (südliche Altstadt, Südstadt und Gostenhof) nicht auf üppige Lebensverhältnisse schließen lassen.

Um unter dieser Bezeichnung aufgeführt zu werden, musste man tatsächlich als solcher ein Gewerbe angemeldet haben, die meisten Vertreter der Zunft laut ihren An- und Abmeldungen als "Gesangskomiker", darunter nur wenig Frauen. Insgesamt finden sich zwischen 1872 und 1931 239 Meldungen von Personen, die diesem Broterwerb nachgehen wollten oder ihn aufgaben.

Bei Nikolaus Kraußer (1872 - 1932) machen schon die kombinierte Familienstands- und Berufsangabe "verheirateter Komiker" und der Charakterkopf auf seiner Passkarteikarte (s. Abb.) auf den Mann neugierig; die Meldekarte bestätigt, dass er in festen Händen und fruchtbar (fünf Kinder) war. Sein hoffentlich vorhandenes Talent setzte er mit Unterbrechungen seit spätestens 1898 professionell ein, wobei er einerseits sein Einkommen als "Ausgeher", also mit Botengängen, aufbessern musste, andererseits im Jahre 1900 fünf Personen beschäftigen konnte - mit Bespaßen sein Geld zu verdienen ist nicht einfach.

Passkarteikarte des "verheirateten Komikers" Nikolaus Kraußer (Stadtarchiv Nürnberg C 21/VII Nr. 87)

Dass man sich unter den amtlich anerkannten Komikern nicht nur Alleinunterhalter, sondern oft die Anführer volkstümlicher Entertainer-Truppen vorstellen muss, bestätigt der Genehmigungsakt von Friedrich Hartwig, der seinen Werdegang über zwanzig Jahre dokumentiert: 1890 suchte der Metallarbeiter um eine pauschale Erlaubnis zum Erzeugen von Heiterkeit nach und konnte darauf verweisen, dass er bereits neun Jahre zuvor, im zarten Alter von 17 Jahren, in Frankfurt a.M. steuerpflichtig aufgetreten war. Das beeindruckte den Nürnberger Magistrat nicht, der diese und andere ihm vorliegende Eingaben mit der Begründung ablehnte, dass "die Produktionen derjenigen Gesellschaften, welche in allen möglichen Wirtschaften spielen, polizeilich völlig unkontrollierbar sind" - die Angst der Obrigkeit vor unkontrolliertem Gelächter des Volkes!

Hartwig bekam eine Lizenz zur Witzigkeit, die jedoch auf ihn beschränkt blieb. 1897 wollte er sein Tätigkeitsfeld erweitern und bat "ergebenst" darum, eine Gesellschaft für "Komikerproduktionen" gründen zu dürfen. Diesmal wurde ihm die "Veranstaltung musikalisch-deklamatorischer Vorstellungen" erlaubt, was er sich jährlich bestätigen lassen musste.

Für 1901 enthält der Akt erstmals eine Liste seines Personals: Bei ihm traten auf zwei Humoristen, ein Pianist, eine "Elevin für Possen (Schauspielerin)" und eine Soubrette. Über alle sowie ihren Chef und seine Frau (!) forderte die Stadt Auszüge aus dem Strafregister an, wobei sich herausstellte, dass einer der Humoristen schon wegen Ruhestörung belangt worden war, was sich aber nicht negativ auf seine Zulassung auswirkte. Dies gilt auch für seinen Nachfolger im Ensemble, den man 1889 bei "grobem Unfug" erwischt hatte - in dieser Branche doch eigentlich eine Auszeichnung.

Probleme bekam Hartwig nur, als sein zwölfjähriger Sohn für den nicht zur Vorstellung erschienenen Klavierspieler einsprang, wofür er vom anwesenden Schutzmann gerüffelt wurde. Der Vater gelobte Besserung, verdingte sich in schlechten Zeiten auch als "Lohndiener und Ceremonienmeister" und blieb bis zu seinem Tode 1910 sauber. Danach ließ der Magistrat "an dessen Stelle zwei anderweitige Komiker" zu, also war die Zahl der Spaßmacher, die der Nürnberger Bevölkerung aus Sicht der Stadtoberen zugemutet werden konnte, offenbar begrenzt.

Da wir uns in Deutschland befinden, mussten die Angehörigen der Berufsgruppe natürlich einen Verein gründen, nachweisbar erstmals 1896 unter dem vielversprechend selbstbewussten Namen "Vereinigung sämtlicher Komiker Nürnbergs". Den Vorstand der im Traditionslokal "Bärleinhuter" beheimateten humoristischen Einheitsfront bildeten seriöse Handwerker und Arbeiter. Ihre Ziele waren v.a. eine gemeinsame Interessenvertretung gegenüber den Auftraggebern hinsichtlich der Tarife, Unterstützung der Mitglieder in Streitfällen mit diesen sowie die Vermittlung von Engagements. Bemerkenswert ist, dass als Publikationsorgan der vereinigten Komiker u.a. das SPD-Organ "Fränkische Tagespost" galt.

Diesem Versuch der Selbstorganisation war kein langes Leben beschieden, denn die Gruppe löste sich bereits im Folgejahr wieder auf. Das Bedürfnis nach einer Art von Genossenschaft bestand aber weiterhin, sodass man 1899 mit der "Vereinigung Nürnberger Komiker und verwandte Berufsgenossen" einen weiteren Anlauf unternahm. Der Vereinspolizeiakt zeigt durch fast wortgleiche Passagen in den Satzungen und personelle Kontinuitäten - Nikolaus Kraußer fungierte als II. Vorstand -, dass man hier wohl nur den Mitgliederkreis erweitern wollte, um mehr Beiträge einzunehmen, ansonsten die Probleme der Betroffenen dieselben geblieben waren. Immerhin hielt dieser Verbund bis zu seiner Auflösung zehn Jahre, doch prinzipiell scheinen Komiker doch eher Einzelkämpfer zu sein.

Viele interessante Fragen müssen an dieser Stelle offenbleiben, zuvörderst die nach den Inhalten, mit denen das Publikum in gehobene Stimmung versetzt wurde: Nürnberg besaß nicht die Volkssänger- und Brettl-Tradition Münchens, aber sicher hat man sich an ihr bezüglich des Repertoires (Gstanzl und Couplets) orientiert. Die seltene Blume des Nürnberger Volkshumors vor Herbert Hisel und den "Peterlesboum" sollte jedenfalls einmal ernsthaft und ausführlich untersucht werden.

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