Bewegte Geschichte einer Universität

Neue Publikation zur Erlanger Hochschule in Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Als „erste nationalsozialistische Hochschule des Reiches“ hat Adolf Hitler die Universität Erlangen einst bezeichnet. Früher als andernorts wandten sich die Studenten der fränkischen Hochschule der „braunen“ Ideologie zu, eine nationalsozialistische Vorzeigeinstitution wurde sie in den Folgejahren dennoch nicht. Im ersten Band der Reihe zur Erlanger Geschichte zwischen 1918 und 1945 widmen sich neun ExpertInnen den Geschicken der Universität in dieser Periode.

Das Erlanger Schloss, Sitz der Universitätsverwaltung, 1936. Stadtarchiv Erlangen (Foto J. Junge)

Die 1743 gegründete Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg blickt auf eine mehr als ein Viertel Jahrtausend währende Geschichte zurück. Damit gehört sie zu den dreißig ältesten der heute insgesamt über 400 Hochschulen in Deutschland. Natürlich war auch in Erlangen die Universitätsgeschichte immer stark durch die Zeitläufe geprägt.

Als „erste nationalsozialistische Hochschule des Reiches“ hat Adolf Hitler die Erlanger Universität bezeichnet, wurde doch bereits in der Zeit der Weimarer Republik an der fränkischen Hochschule nationalistisch, antisemitisch, rassistisch und völkisch gedacht. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten tat sich die Erlanger Universität zwar nicht als nationalsozialistische Vorzeigeinstitution hervor, doch hielt man mit Stolz die einstige Rolle als braune Vorkämpferin hoch. Die im Wesentlichen nationalkonservativ geprägten Professoren und Dozenten erwiesen sich ebenso als Republikfeinde wie die früh dem Nationalsozialismus zuneigenden StudentInnen. So fügte sich die kleinere der beiden fränkischen Universitäten nahtlos in das bereits früh „braun“ gefärbte Franken ein.

Die ereignisreiche Epoche zwischen 1918 und 1945 nimmt der am 24. Mai 2022 im Stadtarchiv Erlangen vorgestellte Band zur Erlanger Universitätsgeschichte in den Blick. Die Autorinnen und Autoren der zehn Beiträge beschäftigen sich mit den fünf universitären Fakultäten und der Universitätsbibliothek ebenso wie mit den StudentInnen und ihren Organisationen. Ein Überblick über das Verhältnis von Universität und Politik in der Epoche ist dem vorangestellt. Ein besonderes Kapitel in der Universitätsgeschichte ist eng mit den Medizinverbrechen in der Heil- und Pflegeanstalt und den Universitätskliniken verbunden. Auch dieses düsterste Kapitel wird in vertiefenden Studien betrachtet.

Auf breiter Quellengrundlage und reich bebildert entstand so in Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ein fundierter Einblick in die Geschichte der Universität in dieser so entscheidenden Phase, der sich an eine breite Leserschaft wendet. Ein zweiter Teilband (Erscheinungstermin in der zweiten Jahreshälfte) wird schließlich noch einmal einen zusammenfassenden Blick auf die Entwicklung der Universität werfen und der Frage nachgehen, weshalb gerade in Erlangen die NS-Ideologie einen frühen Siegeszug antrat.

„Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen 1918–1945“ ist zugleich Auftakt für eine Buchreihe zur Geschichte Erlangens in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, die in den folgenden Jahren erscheinen wird. Damit wird eine bedeutende Lücke in der Erforschung der Stadtgeschichte geschlossen, die noch einer angemessenen wissenschaftlichen Bearbeitung harrt.

Text: Dr. Christina Link

Erlangen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus

DIE FRIEDRICH-ALEXANDER-UNIVERSITÄT ERLANGEN 1918–1945, Teil I

(Forschungen und Quellen zur Erlanger Stadtgeschichte, Band 1)

herausgegeben vom Stadtarchiv Erlangen

640 Seiten, ca. 340 Abbildungen, Hardcover

Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt a. d. Aisch, 2021

Preis: 39,90 €

Die Beiträge:

Clemens Wachter     

Universität und Politik in der Weimarer Republik und der NS-Zeit                                    

Hanns Christof Brennecke   

Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Erlangen im Nationalsozialismus

Bernd Mertens           

Die Erlanger Juristische Fakultät in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus

Philipp Rauh  

Reaktionäre Monarchisten, völkische Propagandisten und beinahe ein kleiner Hitler. Die Erlanger Universitätsmediziner 1918–1945                                                                           

Susanne Ude-Koeller

Männer, die an den Wiederaufstieg Deutschlands glauben. Die Zahnmediziner Johannes Reinmöller und Edwin Hauberrisser

Marion Voggenreiter/Susanne Ude-Koeller 

… beste Auslese und absolut gesund und lebenshart. Medizinische Versorgung von Zwangsarbeitenden in Erlangen        

Georg Seiderer          

Die Philosophische Fakultät in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus

Clemens Wachter     

Naturwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in der Weimarer Republik und der NS-Zeit

Matthias Klaus Braun

Von der studentischen Selbstverwaltung zur geistige[n] Wehrmacht. Organisation der Erlanger Studenten zwischen Weimarer Republik und „Drittem Reich“ 

Heinrich Hirschfelder

Die Universitätsbibliothek Erlangen als Bergungsort der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) von August 1939 bis August 1942. Aspekte des deutschen Kulturgutschutzes im Zweiten Weltkrieg

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