Als die Nazis mit ihrer Machtübernahme auch das städtische Schulwesen in Nürnberg unter ihre Kontrolle bekamen, war der Mann schnell gefunden, der es nachhaltig in eine Propagandamaschinerie umfunktionierte, die schon den Kindern Hass auf alles „Fremdvölkische“ einhämmern sollte: Fritz Fink (1897 - 1988), seit 1929 Volksschullehrer in Nürnberg, ein bereits 1930 in die NSDAP eingetretener „Alter Kämpfer“ und Intimus des Gauleiters Julius Streicher, für dessen Hetzblatt „Der Stürmer“ er fleißig Artikel mit so vielsagenden Titeln wie „Der Judenknecht. Woran man ihn kennt“ oder „Der Rassenmord“ schrieb.
Am 5.11.1935 wurde der fanatische Rassist berufsmäßiger Stadtrat für Schule und Bildung, im selben Jahr Gauamtsleiter für Erziehung, 1936 Bezirksschulrat.
Den infamen Höhepunkt seines erzieherischen Wütens stellte die von ihm als Handreichung für die Lehrerschaft 1937 verfasste Hasspredigt „Die Judenfrage im Unterricht“ dar. In ihr verstieg er sich zu solch haltlosen Tiraden, gedacht für die Weitergabe an die Schuljugend:
„Der Mischling ist eine bedauernswerte Kreatur, haltlos, hin- und hergeworfen von dem Blute zweier Rassen. Wir stellen fest, dass Bastarde ein Volk belasten, seine Kraft schwächen, in ihren Nachkommen den rassischen Zerfall weitertragen [...]. Die Sünde wider das Blut vererbt den Fluch nicht nur im Mischling weiter, der Fluch hängt sich an die geschändete Mutter und lässt sie nicht mehr los zeit ihres Lebens. Rassenschande bedeutet den rassischen Tod. Rassenschande ist unblutiger Mord.
[...]
Aufgeklärte Mädchen werden dem Juden nie zum Opfer werden. Sie sind gefeit gegen den Teufel dieser Erde [...]. Jetzt verstehen sie die Nürnberger Gesetze ganz. In ihren Herzen quillt ein Gefühl heißen Dankes empor, dass die nationalsozialistische Bewegung die deutsche Frau vor der Schande und Entweihung schützt. Sie werden einmal als Mütter ihren Kindern wieder überliefern, was wir ihnen gaben. So wird sich der Segen unserer Arbeit noch auswirken in kommenden Geschlechtern.“
Fink, der sich stolz als „dritter Mann hinter Streicher“ bezeichnete, wurde - natürlich - am 22.5.1945 als Stadtrat entlassen, doch damit verschwand er nicht etwa sang- und klanglos als brauner Schandfleck der Geschichte, sondern erlangte nach seiner Entlastung im Entnazifizierungsverfahren einen Anspruch auf Wiederanstellung im Schuldienst, den er einklagte. Um diese Ungeheuerlichkeit zu verhindern, zahlte ihm die Stadt wegen „Dienstuntauglichkeit“ bis zur Pensionierung 1955 ein Übergangsgehalt. Danach bezog der pathologische Hetzer eine Rektorenpension von zuletzt monatlich brutto 3600 DM.
Der angeblich seit 1945 gesundheitlich Angeschlagene erreichte das gesegnete Alter von über neunzig Jahren und wurde nie strafrechtlich belangt. Stattdessen erhielt er zu seinem 85. Geburtstag 1982 vom städtischen Personalreferenten ein Glückwunschschreiben mit folgender Formulierung:
„Aus diesem Anlass sowie in Anerkennung Ihrer der Stadt Nürnberg geleisteten treuen Dienste übermitteln wir Ihnen die herzlichsten Glückwünsche. Möge Ihnen noch manches Jahr bei guter Gesundheit beschieden sein.“
Fritz Finks Lebenslauf veranschaulicht nicht nur das kurze Gedächtnis Nachkriegsdeutschlands, sondern auch die Gefahr, die von einem auf Indoktrination abzielenden Schulsystem ausgeht, abzulesen an den Biografien und Selbstzeugnissen der Betroffenen auf beiden Seiten: der „arischen“ Kinder und Jugendlichen sowie ihrer jüdischen Altersgenossen, die verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden. Besonders gefährlich wurde das Gift, das Fink und andere NS-Pädagogen unter Berufung auf Blut und Rasse verbreiteten, durch seine Langzeitwirkung: Eine Studie von Soziologen aus den USA und der Schweiz stellte noch im Juni 2015 fest, dass nach der Befragung von 5300 Deutschen „der Level an Fremdenfeindlichkeit [...] bei den Menschen, die in der Nazizeit die Schule besuchten, im Durchschnitt zwei- bis dreimal höher [ist] als bei den übrigen Befragten“.
Das vom Stadtarchiv Nürnberg 2015 herausgegebene Buch „Blutvergiftung. Rassistische NS-Propaganda und ihre Konsequenzen für jüdische Kinder und Jugendliche in Nürnberg“ dokumentiert anhand von Darstellungen, Zeitzeugenaussagen, Quellentexten und zahlreichen Abbildungen die Folgen der antisemitischen Propaganda der Nazis und spannt den Bogen in die Gegenwart. Einen breiten Raum nehmen dabei die Lebenserinnerungen des Theresienstadt-Überlebenden Herbert Kolb ein (Leseprobe).