Neubauersche Chronik (1601), Stadtarchiv Nürnberg F 1 Nr. 41, Bl. 21
Nein, es sind keine Wegelagerer und Strauchdiebe, die hier in Massen an den Bäumen aufgeknüpft wurden. Im Gegenteil: Es sind ehrbare Bürger Nürnbergs.
Natürlich waren es keine normalen Zeiten, aus denen diese grausige Episode berichtet wird. Zeit der Handlung ist der "Handwerkeraufstand" 1348/49, als es auch in Nürnberg selbst turbulent zuging: Der Thronstreit zwischen Luxemburgern und Wittelsbachern ließ wie im ganzen Reich so auch in Nürnberg Parteiungen entstehen, die Frage des rechtmäßigen Königtums verquickte sich mit sozialen Gegensätzen und politischen Ambitionen, und schließlich bedrohte eine ausgedehnte Verschwörung die Herrschaft des alten, luxemburgisch gesinnten Patrizierrates. In dieser Lage, so berichten mehrere Chroniken, habe Karl IV. den Ritter Konrad von Heideck zur Schlichtung nach Nürnberg gesandt. Dieser habe jedoch die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens erkannt und dem alten Rat und seinen Anhängern geraten, sich in Sicherheit zu bringen; als Asyl stellte er ihnen sein Schloss Heideck zur Verfügung.
Aber damit nicht genug. Insgeheim - so fahren die Chroniken fort - betrieb Konrad von Heideck die Wiedereinsetzung der alten Patrizierherrschaft in der inzwischen vom Aufruhrrat beherrschten Stadt. Regelmäßig schickte er seinen Knecht Henica (oder Heinicke) nach Nürnberg, um mit den Parteigängern des alten Rates Kontakt zu halten - bis Henica eines Tages gefaßt wurde. Mit Folter und Tod bedroht, schwur er den Nürnbergern, ihnen seinen Herrn auszuliefern. Wenige Tage später, wenn dieser nach Roßtal reiten sollte, wollte Henica den Nürnbergern im geeigneten Moment das Zeichen zum Überfall geben. Die Nürnberger ließen Henica daraufhin frei, und er kehrte bedrückt nach Heideck zurück.
Am vorgesehenen Tag stieg Konrad von Heideck aufs Pferd, ließ sich den Abschiedstrunk reichen und gab ihn weiter an Henica. "Was wäre wohl", scherzte er dabei, "wenn uns heute die Nürnberger auflauern würden?" Henica erbleichte und ließ zitternd den Pokal fallen. Aufmerksam geworden, nahm Konrad ihn scharf ins Verhör, bis Henica zusammenbrach und den geplanten Anschlag gestand. Jetzt konnte Konrad von Heideck selbst einen Hinterhalt legen. Alle 200 Nürnberger, die ihm aufgelauert hatten, fielen in seine Hand und wurden gnadenlos gehängt.
Soweit die Chroniken, die leider alle einen Schönheitsfehler haben: Sie wurden erst lange nach den Ereignissen geschrieben. Die zeitgenössische Überlieferung ergibt ein anderes Bild. Schon Konrads Schlichtungsversuch und seine Asylgewährung für die geflohenen Ratsherren und Patrizier lassen sich historisch nicht nachweisen, und die Massenhinrichtung schrumpft in ihren Dimensionen ganz erheblich: Im Januar 1349 ließ der Edle von Heideck mehrere Nürnberger hängen, die seinen Dienern einen Hinterhalt gelegt hatten. Eine ganz normale Repressalie also, wie sie in dem jahrhundertelangen Kleinkrieg zwischen Nürnberg und den adeligen Plackern der Umgebung an der Tagesordnung war - aber ihr Zusammenhang mit den Ereignissen des "Handwerkeraufstands" verlieh ihr in den Augen der Nachwelt eine monumentale Größe. Bemerkenswert auch die Umwertung des Ritters zu einem "frommen Fürsten" in der hier vorliegenden Chronik eines Kleinbürgers: Die Sicht des Rates und seine Feindschaft gegen die Herrschaft des Aufruhrrats hatten sich in Nürnberg völlig durchgesetzt.