Auf den ersten Blick macht Johann Alexander Boeners Stadtansicht von ca. 1700 einen eher nichtssagenden Eindruck. Gewiss - man sieht eines der vier großen Tore der Stadt, direkt neben dem Turm, und die breite Äußere Laufer Gasse, die darauf zuführt - offenbar zu breit, um ganz der Wahrheit zu entsprechen; offenbar hat Boener im Interesse der Perspektive und einer besseren Darstellbarkeit der Häuserfronten hier etwas übertrieben.
Die Häuser sind recht unterschiedlich: teils kleine Fachwerkhäuser, teils stolze Fassaden aus Sandstein mit Chörlein und Erkern. Dies alles aber ist durchaus nichts außergewöhnliches. Man versteht, dass der Rat bei Kaiserbesuchen, selbst wenn der hohe Gast aus Prag kam, diesen lieber einen weiten Umweg machen ließ, um ihn durch das Frauentor über die heutige Touristenmeile in die Stadt einführen zu können.
Bei näherem Hinsehen kommen aber doch interessante Details zum Vorschein.
Sofort ins Auge fallen die Kettenstöcke, die ohne erkennbaren Sinn weit in die Straße hineinreichen und nur eine schmale Durchfahrt freilassen. Sie bilden einen Teil eines seit dem 14. Jahrhunderts bezeugten Systems zur Absperrung der Stadt, das - oft mit mehreren Kettenstöcken in einer Straße hintereinander - in keiner Straße fehlte und selbst quer über den Hauptmarkt gezogen werden konnte. Zum Einsatz kamen die unter der Verantwortung der Viertelsmeister und Gassenhauptleute stehenden Kettenstöcke bei den verschiedensten Gelegenheiten: Zur Kanalisierung der Massen bei spektakulären Großereignissen wie Kaisereinzügen oder Weisungen der Reichskleinodien, zur Erhöhung der Sicherheit in Krisensituationen, aber auch zur simplen Verkehrsregelung wie z. B. zur Verhinderung des Kutschen- und Lastwagenverkehrs vor dem Rathaus während der Ratssitzungen oder vor den Kirchen während des Gottesdienstes. Wer kann sich heute schon vorstellen, dass der Verkehrslärm in der geruhsamen alten Zeit weit schlimmer war als heute im Zeitalter der Massenmotorisierung?
Eisenbeschlagene Räder auf Kopfsteinpflaster machten einen Heidenkrach, und das Rasseln eines einzigen langsam dahinzockelnden Wagens wollte und wollte nicht enden. Sehr verständlich also, dass die Ratsherren sich und die Kirchgänger davor bewahren wollten! Doch trotz ihres Nutzens waren die Kettenstöcke auch eine Last: Ihr Unterhalt war teuer, und oft genug wurden sie gestohlen. Seit dem 18. Jahrhundert nahmen sie ab, und 1807 wurden sie weitgehend abgeschafft.
Von Interesse ist auch die Rinne in der Straßenmitte. Auch diese Rinnen sind seit dem 14. Jahrhundert bezeugt. Es handelt sich um Abflussrinnen für Abwasser, und zwar - wie die zwei Zulaufrinnen aus den Häusern bereits andeuten - auch für Haushaltsabwässer. Anfangs war das Zugießen von Haushaltsabwasser noch verboten, später aber taucht das Verbot nicht mehr auf. Hatte der Rat es als undurchsetzbar aufgegeben? Die folgen für die öffentliche Hygiene sind jedenfalls vorstellbar, zumal die Reinigung der Rinnen oft jahrelang verschleppt wurde. Zwar gab es auch gedeckte Rinnen („Dohlen“), auch die offenen Rinnen jedoch waren noch bis weit in die Neuzeit hinein in Gebrauch.
Schließlich sei der öffentliche Brunnen erwähnt, der im Hintergrund zu erkennen ist. Auch er war eine häufige und sehr notwendige Erscheinung der alten Stadt, denn viele Häuser waren nicht an Wasserröhren angeschlossen, noch hatten sie eigene Brunnen. Die Qualität dieses Wassers soll hier nicht untersucht werden.
Wenn ich mir die Breite des heutigen Äußeren Laufer Platzes so ansehe kommt das mit der Breite auf dem Bild aber hin.
Die Nachkriegsbebauung steht quasi an der selben Stelle wie die linke und die rechte Häuserzeile auf dem Bild.
Lediglich das Tor muß man sich wegdenken.