62 Jahre nach dem Unglück erinnert Nürnberg an die größte Brandkatastrophe in der Nachkriegsgeschichte der Stadt. Am 18. Juni 2024 wurde gegenüber dem damaligen Unglücksort, am Frauentorgraben (Jakobstor) eine Gedenkstele von Oberbürgermeister Marcus König unter Beteiligung verschiedener Zeitzeugen enthüllt.
22 Menschen verloren am 17. Januar 1962 und in unmittelbarer Folge beim Brand des ehemaligen Ringkaufhauses ihr Leben. Der Kaufhausbetrieb war bereits 1956 eingestellt worden, doch wurde das Ringkaufhaus im September 1961 für eine vorübergehende Dauer von der Kaufhof AG als Lagerhaus angemietet. Der Brand brach im Keller des Gebäudes in einem Altpapierlager aus. Ein nicht genutzter, offener Treppenaufgang diente zum direkten Hinabwerfen von Verpackungsmüll als Altpapierhalde. An der Papierpresse im Keller wurde das Material von einer Altwarenfirma direkt gepresst. Der später angeklagte Hilfsarbeiter gab bei der Polizei zwar zu, im fraglichen Zeitraum, zu dem sich 55 Personen im Gebäude aufhielten, trotz Verbots im Keller Zigaretten geraucht und am Boden ausgetreten zu haben, wurde 1963 jedoch freigesprochen, weil das Gericht seine Schuld nicht hundertprozentig erwiesen sah. Eigene Löschversuche des Personals scheiterten, weshalb die Feuerwehr verspätet alarmiert wurde, Brandschutzeinweisungen waren mangelhaft, Fluchtwege versperrt. Beim Anrücken der Feuerwehr war das Gebäude bereits weitgehend in dicken Rauch eingehüllt. Der Luftsog durch die offenen Etagen, umherwirbelndes Papier und die vollen Lagerregale mit teils leicht entflammbarem Inhalt hatten die Brandentwicklung im Gebäude rasant beschleunigt. Einige der Eingeschlossenen riskierten in ihrer Verzweiflung sogar den Sprung aus den oberen Etagen. Kaum jemand konnte jedoch durch die Feuerwehr mittels Sprungtuch gerettet werden. Die dramatischen Ereignisse wurden im Laufe der mehrstündigen Löscharbeiten von tausenden Passanten beobachtet.
Im Rahmen eines Erzählcafés im Anschluss an die Enthüllung der Gedenkstele wurde verschiedenen Zeitzeugen, moderiert von Archivdirektor Dr. Arnold Otto, das Wort überlassen. In diesem Gesprächsformat kommt es nicht darauf an, investigativ möglichst viel aus seinem Gegenüber „herauszukitzeln“, sondern den Zeitzeugen die Möglichkeit zu geben, in selbst bestimmtem Umfang über das Erlebte zu berichten. Aufgrund der vielen vergangenen Jahre gestaltet es sich freilich schwierig, noch unmittelbar von diesem Ereignis Betroffene zu finden.
Für den anwesenden Stadtrat Achim Mletzko hatte das Ereignis sicher die gravierendsten Auswirkungen auf sein weiteres Leben. Er war fünf Jahre alt, als die Polizei am Abend des Unglücks die Nachricht überbrachte, dass sein Vater in den Flammen umgekommen war. Eingeprägt hatte sich bei ihm über all die Jahre die fehlende Verantwortungsübernahme durch die Kaufhof AG. Zwar standen der Hausinspektor, der Bürochef und der Mitgeschäftsführer der Kaufhof-Filiale Nürnberg 1963 ebenso vor Gericht, wurden aber zu verhältnismäßig milden Strafen verurteilt. Ein weiterer Zeitzeuge, damals Fahrer der VAG, schildert, wie seine Straßenbahn nach der Abfahrt am Plärrer plötzlich ohne Stromzufuhr stehen blieb. Bei der Beschreibung des dort Gesehenen gerät er auch 62 Jahre später noch ins Stocken. Nürnbergs Dienststellenleiter der Feuerwehr, Oberbranddirektor Volker Skrok, ist zwar kein direkter Zeitzeuge des Ringkaufhausbrands, weiß jedoch zu berichten, welche Spuren es bei Einsatzkräften hinterlässt, bei so einer Katastrophe niemanden mehr retten zu können. Ältere Kollegen der Feuerwehr hatten ihm auch geschildert, welche Stimmung in den Tagen und Wochen nach dem Brand gegenüber den Feuerwehrleuten in der Stadt herrschte. Eine wochenlange Berichterstattung durch die Presse suchte mit immer neuen Thesen, Vermutungen oder auch Beobachtungen nach den Verantwortlichen für den Tod der 22 Brandopfer. Auch im Erzählcafé berichtet eine Zeitzeugin von dem von ihr wahrgenommenen Chaos am Ort des Geschehens. Eine Einsatzleitung war am Brandort wohl auch für die Einsatzkräfte nicht immer klar auszumachen. Deutlich zu spüren ist bei allen Teilnehmern des Erzählcafés das Entsetzen über die Ohnmacht, die Hilfslosigkeit, die wahrgenommene Tatenlosigkeit. Sei es, den am Fenstersims Sitzenden keine Hilfe leisten zu können, von Einsatzkräften zurückgehalten und abgewiesen zu werden oder den Eingeschlossenen hinter dem zugeschlossenen Scherengitter am Vordereingang des Gebäudes nicht zu Hilfe kommen zu können. Spontan meldete sich aus dem Publikum des Erzählcafés eine Dame, die während des damaligen Geschehens Auszubildende der Kaufhof AG war. Immerwieder musste auch sie im Außendepot „Ringkaufhaus“ mithelfen, hatte am Tag des Brandes jedoch Berufsschule und kam damit erst im Laufe des Schulweges zum Brandort. An die Zustände im Gebäude vor dem Brand erinnert sie sich noch genau. Prof. Dr. Klaus Kastner konnte als Gast des Erzählcafés zur juristischen Aufarbeitung der Brandkatastrophe berichten. Nachdem er 1966 zum Staatsanwalt ernannt wurde, vertrat er die Anklage beim zweiten Prozess zum Ringkaufhausbrand vor dem Bundesgerichtshof. Er wollte ein Stück weit Rechtsklarheit darüber erlangen, wie weit die Führungsetage eines Unternehmens für derartige Katastrophen strafrechtlich haftbar gemacht werden kann. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof zog er jedoch auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft zurück.
Zwei Tage nach dem Brand nahm die Stadtöffentlichkeit am 19. Januar 1962 Abschied von den Opfern der Katastrophe. Der Platz vor dem Glockenturm des Nürnberger Südfriedhofs, der drei Jahre zuvor als Mahnmal für die Toten des Luftkriegs errichtet worden war, wurde bewusst für die Aufbahrung der 20 Särge ausgewählt (zwei weitere Opfer verstarben erst nach der Trauerfeier). Anwesend waren neben Oberbürgermeister Andreas Urschlechter, der die Trauerrede hielt, Bayerns Innenminister Alfons Goppel, der bayerische Justizminister Albrecht Haas und Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel.
Zusätzlich zu allem Aktenmaterial, das im Stadtarchiv Nürnberg zum Ringkaufhausbrand aufbewahrt wird, bot das Erzählcafé mit den Schilderungen und der darin deutlich gewordenen Betroffenheit der Zeitzeugen eine wichtige Ergänzung zu schriftlichen Überlieferungen. Lange Zeit wurde Oral History, also das Interview von Zeitzeugen, von der Geschichtswissenschaft als Methode eher kritisch betrachtet. Zu subjektiv sei oftmals das Wiedergegebene, eine Nachprüfung für eine seriöse Einordnung notwendig. Dies trifft jedoch auf alle Quellengattungen zu und Oral History kommt mittlerweile immer häufiger zur Anwendung und findet immer mehr Beachtung. Das Stadtarchiv Nürnberg hat in den letzten zwanzig Jahren in eigenen Projekten beispielsweise zu den Themen „Luftkrieg“ und „Migration nach Nürnberg“ immer wieder Interviews mit Zeitzeugen geführt und diese in seine Bestände aufgenommen. Auch die Brandkatastrophe von 1962 wird nun durch einzelne Oral History Interviews für das „Gedächtnis der Stadt“ weiter erschlossen.