In wenigen Wochen jährt sich der Hitlerputsch vom 8./9. November 1923 zum 100. Mal. In die Erinnerung und Aufarbeitung an das Krisenjahr 1923 mit Hyperinflation, Ruhrbesetzung, der zunehmenden politischen Radikalisierung und dem Hitlerputsch als traurigem Höhepunkt fügt sich geradezu perfekt die Ausstellung zum bayerischen Offizier Friedrich Ritter von Kraußer ein.
Die von der Archivanwärterin des Stadtarchivs Nürnberg Anna Fuchs konzipierte Lehrausstellung widmet sich dem Leben und Wirken des Offiziers und frühem Anhänger des Nationalsozialismus Friedrich von Kraußer, der am 29. April 1888 in Nürnberg geboren wurde.
Anna Fuchs (links) im Gespräch mit einem Ausstellungsbesucher
Bereits als Kind zeigte Kaußer eine enorme Militärbegeisterung, sodass sein Vater sich bald um die Aufnahme seines Sohnes in das Bayerische Kadettenkorps bemühte. Mit dem Eintritt in das Kadettenkorps im Alter von gerade einmal 14 Jahren war sein weiterer Werdegang quasi vorgezeichnet, diente dieses Internat der Bayerischen Armee doch zur Ausbildung junger Berufsoffiziere.
Im Ersten Weltkrieg erlitt Kraußer mehrere Verwundungen, konnte sich jedoch als Flugzeugbeobachter und Maschinengewehrschütze in der Bayerischen Fliegertruppe derart auszeichnen, dass ihm nach Kriegsende der Militär-Max-Joseph-Orden verliehen wurde.
Wie viele Militärs empfand Kraußer den Waffenstillstand 1918 als Verrat und zeigte sich entsetzt über die Novemberrevolution. Im April 1919 schloss er sich als Freiwilliger dem Freikorps Epp an und nahm an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik teil. Der erstarkenden völkischen Bewegung stand er als Mitglied des von Ernst Röhm geführten, radikalen Wehrverbandes „Reichskriegsflagge“ aufgeschlossen gegenüber. Die Reden Adolf Hitlers, denen er häufig beiwohnte, fanden seine Zustimmung.
Während des Hitlerputsches erfuhr der in militärischen Kreisen gut vernetzte Kraußer, dass Landeskommandat Otto von Lossow (1868 – 1938) die Reichswehr zu einer entschiedenen Niederschlagung des Putsches einsetzen wollte. Er bemühte sich persönlich darum, Lossow umzustimmen, was jedoch erfolglos blieb. Enttäuscht und erbost über die ausbleibende Unterstützung der Reichswehr für den rechtsradikalen Umsturzversuch reichte der Berufsoffizier Kraußer daraufhin sein Abschiedsgesuch aus der Reichswehr ein.
Der rechtsextremen Bewegung zugewandt, trat Friedrich von Kraußer am 1. Dezember 1928 der NSDAP bei. Als Ernst Röhm (1887 – 1934) 1931 von Adolf Hitler zum Stabschef der paramilitärischen „Sturmabteilung“ (SA) ernannt wurde, berief er seinen Weggefährten Kraußer zu sich. Dort stieg er im Rang eines Obergruppenführers zum persönlichen Stellvertreter Röhms und damit bis an die Spitze der SA-Führung auf. Dies wurde Kraußer während der Ereignisse des Röhm-Putsches, als die Nationalsozialisten die Führungsriege der SA ermorden ließen, zum Verhängnis. Nach seiner Verhaftung am 30. Juni 1934 wurde Kraußer am 2. Juli 1934 in Lichterfelde erschossen.
Friedrich von Kraußers Werdegang, insbesondere seine Ablehnung der Weimarer Republik und seine politische Radikalisierung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kann in vielerlei Hinsicht als beispielhaft für viele Biographien dieser Zeit gelten. Sein Nachlass, der im Stadtarchiv Nürnberg verwahrt wird, gibt dabei hochinteressante Einblicke in die Gedanken und politischen Ansichten eines durch und durch militärisch sozialisierten, frühen Anhängers der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung.
Die Lehrausstellung, die noch bis zum 7. November 2023 in den Räumlichkeiten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in der Schönfeldstraße 5, 80538 München gezeigt wird, entstand im Rahmen des Studiums an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern – Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen. Öffentliche Führungen finden am 12.10. um 14.30 Uhr und am 19.10. um 10 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.