Eine Künstlersignatur entschlüsselt.
Im frühen 18. Jahrhundert war Friedrich Roth-Scholtz als Buchhändler, -drucker und Verleger in Nürnberg und in der benachbarten Universitätsstadt Altdorf tätig. Roth-Scholtz, geboren 1687 in Schlesien, hatte in Nürnberg das Bürgerrecht erworben und in eine hiesige Druckerei eingeheiratet. Bekannt wurde er durch zahlreiche Publikationen zur Personengeschichte der Universität Altdorf, zur Drucker- und Verlegergeschichte Nürnbergs, aber auch durch Veröffentlichung alchemistischer Traktate. Roth-Scholtz legte großen Wert auf die Beigabe von möglichst vielen Illustrationen – dieser Aufwand trieb sein Geschäft letztendlich in den Ruin. Die treffendste Charakteristik dieses zweifellos verdienstvollen Verlegers stammt von dem Altdorfer Professor Georg Andreas Will im 3. Teil seines Nürnbergischen Gelehrtenlexikons von 1757 (dort unter dem Eintrag „Rothscholtz“): „Er lies eine unbeschreibliche Menge Kupferplatten zum Dienste der Gelehrten=Geschichte stechen. (…) Er war der eitelste Mann von der Welt. (…) Bey 20 malen lies er sich, und immer auf verschiedene Art, in Kupfer stechen. (…) Durch seine Schwachheiten und Eitelkeiten und durch die gar zu vielen Kupferplatten, an denen ein sehr grosses Capital lag, ruinirte er die Handlung.“
Von den erwähnten zahlreichen Porträtstichen zeigen wir hier den folgenden: Roth-Scholtz sitzt in einer weiträumigen Bibliothek an einem Tisch. Um ihn sind Instrumente der Wissenschaften aufgestellt – es fehlen auch nicht Symbole der irdischen Vergänglichkeit: Ein Totenkopf rechts vorne auf dem Tisch sowie oberhalb des aufgeschlagenen Buchs eine verlöschende Lampe über einer ablaufenden Sanduhr. Links vorne ist eine Landkarte so drapiert, dass man Schlesien erkennen kann, wo sich am oberen Ende auch Herrnstadt findet. Dort war der Porträtierte geboren. Der Titel des Buchs, auf das Roth-Scholtz mit einer Geste verweist, ist gut lesbar: Neben dem Porträt des antiken Philosophen Seneca steht: „Friderici Roth-Scholtzii Icones Clarissimor(um) Virorum Eruditorum Theologorum Jureconsultorum Medicorum et Philosophorum.“ Es handelt sich um eine der vielen Veröffentlichungen des Porträtierten. Erschienen ist dieses Werk im Jahre 1725, wie auch auf dem Stich zu erkennen ist. Nebenbei ergibt sich daraus die Möglichkeit zur Datierung des vorliegenden Porträts. Unterhalb der Rahmung befindet sich links die Signatur des Verfertigers dieses Stichs: „D. C. C. Fleischmann St. J. ad vivum delineavit et sculps(it).“
Georg Kaspar Nagler führt diesen Künstler in seinem Werk über die Monogrammisten („Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen welche sich zur Bereicherung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben etc. bedient haben …“, Bd. 2, 1860, Nr. 1016) und bezeichnet ihn dort als mittelmäßigen Maler und Kupferstecher in Nürnberg „um 1690“. Eine Auflösung der Vornamenkürzel gelang Nagler jedoch ebenso wenig wie späteren Autoren.
Die Signatur auf dem hier gezeigten Stich enthält aber einen Hinweis, nämlich die Kürzel „St. J.“, was vermuten lässt, der Künstler sei Student im Fach Jura gewesen. Und tatsächlich ist an der Universität Altdorf ein Student nachweisbar, für den die Kürzel „D. C. C.“ zutreffen: Es handelt sich um Daniel Clamer Christian Fleischmann aus Sulzbach, der in Altdorf im Jahre 1712 immatrikuliert wurde (Die Matrikel der Universität Altdorf, hrsg. von Elias von Steinmeyer, Würzburg 1912, 1. Teil, Nr. 15166).
Nagler ist also zu berichtigen: Der fragliche Künstler arbeitete nicht „um 1690“, sondern erst im frühen 18. Jahrhundert in Nürnberg. Möglicherweise war er auch einer der ‚Ghostwriter‘, die die lateinische Korrespondenz für Roth-Scholtz führen mussten, der so gerne als Gelehrter gelten wollte, obwohl er, wie Will versichert, das Lateinische gar nicht beherrschte.
Grüß Gott,
habe gerade “Gottliebender Seelen Paradeys …” von Jacob Merlo-Horstius, übersetzt von Adreas Bresson, Dillingen, 1697 (andere Ausgabe in Bamberg erschienen) vor mir liegen, wo es im Titel u.a. heißt: “… mit annehmlichen Kupffern gezieret …”, die meisten signiert: “Fleischmann sc. Norib.”
So “mittelmäßig” hätte ich die Kupfer gar nicht eingeschätzt, sondern doch eher “annehmlich”.
Habe mich gefreut, etwas über D.C.C. Fleischmann zu lesen.
Wenn ich noch eine Frage stellen darf? Haben Sie Literatur oder sogar Material von bzw. über die Carl Mayersche Kunstanstalt in Nürnberg. Im GNM findet sich – auf meine Anfage hin – nichts und mir ist sonst nur der Artikel “Nürnberg und der Stahlstich” von Heinrich Gürsching bekannt, der dort in Anm. 22 vermerkt: “Für die Zugänglichmachung des reichen Nachlasses von Carl Mayer habe ich den Enkel des Künstlers, unserem Vereinsmitglied Herrn Rob. Mayer besonders herzlich zu danken.” Befindet sich der Nachlaß noch in Privatbesitz oder evt. bei Ihnen?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Christoph Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
herzlichen Dank für Ihren Kommentar. “Mittelmäßig” muss nicht ‘schlecht’ bedeuten. Wir hatten aber sicher begnadetere Stecher hier.
Ihre Anfrage bezüglich Kunstanstalt Mayer habe ich Ihnen per email beantwortet.
mfG
Helge Weingärtner
Sehr geehrter Herr Weingärtner,
leider ist Ihre Antwort bzgl. der Mayerschen Kunstanstalt nicht bei mir angekommen.
Was Fleischmann angeht, können die in dem genannten Buch von 1697 (!) lediglich mit “Fleischmann …” ohne “D.C.C.” signierten Stiche von D.C.C. Fleischmann sein, dann könnte der Nachweis bei Nagler ja wieder stimmen?!
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Müller